Gerichtsurteil in DeutschlandFamilie verliert nach 85 Jahren ihr in der Nazizeit gekauftes Haus
In Brandenburg muss eine Familie ihr Grundstück zurückgeben, das Vorfahren unrechtmässig von Juden erworben hatten. Betroffen ist eine 84-Jährige.
Ein Grundstück in Wandlitz bei Berlin, das im Nationalsozialismus zwangsweise enteignet wurde, muss zurückgegeben werden. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wies am Mittwoch die Revision der Familie zurück, die aktuell in dem Haus lebt. Es spielt demnach keine Rolle, dass die Mutter das Grundstück 1993 ihrer Tochter schenkte.
In den 30er-Jahren gehörte das Grundstück zwei jüdischen Frauen. Von den Nazis wurden sie 1939 zum Verkauf gezwungen. Die beiden Frauen wurden später in Auschwitz ermordet. Der Grossvater der Klägerin kaufte das Grundstück mit Haus und vererbte es weiter. Im Jahr 1992 beantragte die Jewish Claims Conference, die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Eigentümerinnen, die Rückübertragung. Die 1951 gegründete Jewish Claims Conference ist ein Zusammenschluss mehrerer jüdischer Organisationen, die sich für die Entschädigung der Opfer von NS-Verbrechen einsetzen.
1993 schenkte die Mutter der Klägerin das Haus, behielt sich aber ein lebenslanges Wohnrecht vor. Die Klägerin zahlte dafür Wasser, Abwasser, Strom und Heizung und verpflichtete sich dazu, ihre Mutter zu pflegen. Zwei Jahre später schenkte sie einen Teil des Grundstücks ihrem Sohn, dem Kläger.
2017 wurde das Eigentum an die Jewish Claims Conference rückübertragen. Die Familie klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt an der Oder, hatte dort aber im vergangenen Jahr keinen Erfolg. Daraufhin zogen Mutter und Sohn vor das Bundesverwaltungsgericht. Nun scheiterten sie auch dort. Für sie breche eine Welt zusammen, sagte die 84-jährige Klägerin laut Medien nach der Entscheidung. «Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht und meine Eltern gepflegt.» Der 61 Jahre alte Sohn sagte demnach, die Familie stehe vor dem Nichts. Sie würde sich von der Polizei räumen lassen.
Kann die 84-Jährige trotzdem bleiben?
Wenn ein Grundstück unentgeltlich weitergegeben wurde, schliesst das die Rückübertragung nicht aus, wie das Bundesverwaltungsgericht entschied. Auch eine Schenkung gegen geringe Gegenleistungen wie die hier vereinbarte gilt demnach als unentgeltlich. Die Übernahme der Nebenkosten und der Pflege sei niedrig im Verhältnis zum Wert des Grundstücks.
Bei einer solchen Schenkung ist die Lage dem Bundesverwaltungsgericht zufolge eine andere, als wenn das Grundstück verkauft wurde und den Berechtigten der Erlös zusteht.
Die Jewish Claims Conference sagte, man habe der bisherigen Besitzerin ein lebenslanges Nutzungsrecht angeboten. Diese und der Sohn prüfen mit ihrem Anwalt nun eine Verfassungsbeschwerde. In diesem Fall würde das Verfahren weitergehen.
AFP/nlu
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