Proteste gegen Israel und «die Juden»Deutsche Politiker wollen schärfer gegen Antisemitismus vorgehen
Neue Gesetze sollen den grassierenden Hass auf Juden eindämmen. Radikalen muslimischen Organisationen in Deutschland droht ein Verbot.
«Scheissjuden» schrien wütende Muslime, verbrannten israelische Flaggen und warfen Steine auf Synagogen. Wie schon 2014, als Israel und Palästinenser zuletzt mit Raketen und Bomben gegeneinander Krieg geführt hatten, löste der aktuelle Konflikt in Deutschland vergangene Woche erneut einen Ausbruch von Judenhass aus. Täter waren vor allem arabischstämmige Jugendliche sowie türkische Nationalisten.
Die deutsche Öffentlichkeit reagierte entsetzt. Alle grossen Medien und alle Parteien verurteilten die Attacken aufs Schärfste. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier stellte sich gleich mehrmals hinter das Existenz- und Selbstverteidigungsrecht Israels und hinter die jüdischen Mitbürger. Ihm gleich taten es Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Auch der Zentralrat der Muslime und der türkische Moscheenverband Ditib verurteilten die Gewalt und den Judenhass scharf.
Innenminister Horst Seehofer versprach nicht nur, mit der «vollen Härte des Rechtsstaats» gegen Antisemiten vorzugehen, sondern auch jüdische Einrichtungen künftig besser zu schützen. Am Samstag kam es insbesondere in Berlin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Islamisten und der Polizei. Die Sicherheitskräfte verhinderten diesmal aber, dass diese Synagogen angreifen konnten.
Medien und Politiker begaben sich derweil auf die Suche nach den Drahtziehern der Proteste. Neben Vereinen, die der palästinensischen Terrorgruppe Hamas und den Muslimbrüdern nahestehen, nannten sie vor allem die linksradikale Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP).
Antisemitismus als «Klammer» aller Islamisten
Die Volksfront wird von den USA und der EU als Terrororganisation geführt, ist in Deutschland aber bislang nicht verboten. Die PFLP lehnt seit Ende der 60er-Jahre jeden Frieden mit Israel ab und verübt Terroranschläge auf Zivilisten. Bei den aktuellen Protesten trat in der Öffentlichkeit vor allem der Verein «Samidoun» auf, der als Vorfeldorganisation der Volksfront gilt.
Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesverfassungsschutzes, warnt schon länger davor, dass im Grunde alle islamistischen Organisationen in Deutschland militant judenfeindlich seien – von der schiitischen Hizbollah bis zur türkisch-sunnitischen Milli Görüs. Der Antisemitismus sei für sie wie eine «verbindende Klammer», über religiöse, nationale und ideologische Zugehörigkeiten hinweg.
Volksfront für die Befreiung Palästinas verbieten?
Stephan Kramer, Chef des Verfassungsschutzes in Thüringen, fordert nun ein Verbot der PFLP. Er erhält dafür Unterstützung von allen Parteien ausser der Linken. Hamas und Hizbollah ist bereits jede Tätigkeit in Deutschland untersagt. Innenminister Seehofer hat vor zehn Tagen zudem Ansaar International verboten. Die Organisation sammelte Spenden, vorgeblich, um Waisenheime und Spitäler zu betreiben – tatsächlich flossen Gelder unter anderem auch an Terrorgruppen wie die Hamas.
Einige deutsche Grossstädte wollen gegen Israel gerichtete Demonstrationen, die absehbar zu antisemitischen Attacken führen, künftig nicht mehr genehmigen. Richter setzen dafür allerdings hohe Hürden. In Frankfurt am Main etwa erlaubte die Justiz am Samstag einen von der PFLP-nahen Samidoun organisierten Protest, den die Stadt hatte verbieten wollen. Auch polemische Kritik an Israel müsse erlaubt bleiben, meinte das Gericht. Allerdings erwarte man, dass der Umzug abgebrochen werde, sobald es zu antisemitischen Angriffen komme.
Schärfere Gesetze – und bessere Prävention
Attacken auf Synagogen, das Verbrennen von Israelfahnen, antisemitische Reden, der Hitlergruss oder die Leugnung des Holocaust werden in Deutschland schon länger strafrechtlich verfolgt. Seit einiger Zeit gilt Judenhass vor Gericht auch als strafverschärfendes Motiv. Zudem tritt bald ein neues Gesetz gegen Hass und Hetze in Kraft, das Internet-Plattformen wie Facebook dazu zwingt, solche Äusserungen von sich aus den Behörden zu melden und zu löschen. In den sozialen Medien hat der Antisemitismus in den letzten Jahren stark zugenommen, zuletzt auch im Umfeld der Proteste gegen die Corona-Politik.
Die deutsche Regierung ist zudem gerade daran, eine weitere Gesetzeslücke zu schliessen: Zwischen der persönlichen «Beleidigung» und der öffentlichen «Volksverhetzung» soll ein Tatbestand der «verhetzenden Beleidigung» eingeführt werden. Mit ihm liesse sich zum Beispiel nationalsozialistische Propaganda verfolgen, die an den Zentralrat der Juden geschickt wird.
So wichtig Repression ist: Die meisten Politiker sind sich einig, dass gegen Antisemitismus langfristig nur Bildung und Prävention wirken. Eine besondere Herausforderung für die Schulen sind dabei Kinder arabischer Einwanderer, die sehr häufig in Heimat und Familie mit Hass auf Israel und die Juden aufgewachsen sind. Ihnen beizubringen, dass und warum diese Haltung in Deutschland nicht akzeptiert wird, ist schwerer, als es scheint.
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