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Proteste in Deutschland
«Es ist reiner Antisemitismus»

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Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das Handy-Video selbst im Internet verbreitet. So erschreckend findet die Organisation das, was sich in Gelsenkirchen zutrug: Dutzende Menschen zogen am Mittwochabend vom Bahnhofsvorplatz durch die Stadt. Sie skandierten antisemitische Beleidigungen, klatschten und hüpften durch die Fussgängerzone. Palästinensische Flaggen sind in der Aufnahme zu sehen, aber auch türkische oder algerische. Dabei sollten die Zeiten doch längst vorbei sein, in denen Juden auf offener Strasse beschimpft werden, betont der Zentralrat.

Tatsächlich häufen sich dieser Tage Vorfälle, bei denen israelische Flaggen mitten in deutschen Städten angezündet oder Synagogen angegriffen werden. Nicht nur in Gelsenkirchen: Am Mittwochabend zogen auch in Hannover etwa 550 Menschen durch die Innenstadt, wie die Polizei mitteilt. Zwei Personen habe man gerade noch davon abhalten können, Israel-Flaggen zu verbrennen. Letztlich löste die Polizei die Demonstration auf, da Teilnehmer die Auflagen zum Schutz vor Corona-Infektionen nicht einhielten und der Veranstalter keine Ordner eingesetzt hatte. Dabei seien Polizisten beleidigt und angegriffen worden.

Auslöser der Vorfälle ist offensichtlich die Eskalation im Nahen Osten: Seit Montagabend beschiessen militante Palästinenser Israel massiv mit Raketen. Israel reagiert darauf mit umfangreichen Luftangriffen. Auf beiden Seiten kamen mehrere Menschen ums Leben, einige Hundert wurden verletzt. Daraufhin meldete etwa der Veranstalter in Hannover eine Demonstration gegen «israelische Attacken gegen Jerusalem und Gaza» an. Doch wenn der Unmut darin gipfelt, Synagogen in Deutschland anzugreifen, habe das nichts mehr mit einer politischen Meinungsäusserung zu tun, kritisiert Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: «Es ist reiner Antisemitismus.»

Steine gegen Synagogen

In Gelsenkirchen hat die Polizei die etwa 180 Teilnehmer der nicht angemeldeten Demonstration noch gestoppt – keine hundert Meter mehr von der Synagoge der Ruhrgebietsstadt entfernt. Dabei setzte die Polizei nach eigenen Angaben Schlagstöcke ein; es sei aber niemand verletzt worden.

Tags zuvor war das in Bonn nicht rechtzeitig gelungen. Dort warfen junge Erwachsene Steine gegen die Synagoge, ein Loch und Sprünge in der Glastür zeugen davon. Auf dem Gehweg gegenüber dem Gotteshaus hat die Polizei eine augenscheinlich verbrannte, weiss-blaue Fahne gefunden. Vor dem Eingang habe man Zettel mit «wahrscheinlich arabischen Schriftzeichen» sichergestellt.

Drei Männer im Alter von 20 und 24 Jahren hätten die Flaggenverbrennung mittlerweile eingeräumt, teilt die Polizei mit. Der aktuelle Konflikt in Israel habe sie zur Tat veranlasst. Die Vorsitzende der Bonner Synagogengemeinde, Margaret Traub, hat ihren Gemeindemitgliedern empfohlen, vorerst keine Kippa mehr in der Öffentlichkeit zu tragen.

Die Bundesländer erhöhen den Schutz an jüdischen Orten, wie hier In Frankfurt: Im Westend steht am Mittwoch ein Beamter der Wachpolizei vor einer Synagoge.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte in Reaktion auf die Vorfälle, sein Bundesland habe «den Schutz an allen herausragenden jüdischen Orten noch einmal erhöht». Auch an allen anderen jüdischen Objekten lasse Nordrhein-Westfalen die Gefährdungslage aktuell beurteilen. «Wir dulden weder antijüdische Polemik, wir dulden keine Gewalt, wir dulden keinen Antisemitismus», sagte der Kanzlerkandidat der Union. «Nicht auf unseren Strassen, nicht auf unseren Schulhöfen, nicht im Internet.» Das Land Baden-Württemberg hat ebenfalls angekündigt, die Vorkehrungen an «relevanten Örtlichkeiten» anzupassen.

Auch im westfälischen Münster hatten mehrere Zeugen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Polizei alarmiert. Sie machten auf eine Gruppe aufmerksam, die vor der Synagoge der Stadt mit lauten Rufen eine israelische Flagge verbrannte. Als die Sicherheitskräfte eintrafen, habe sich die Gruppe zwar zerstreut. Die Polizei hat nach eigenen Angaben aber die Personalien von 13 Tatverdächtigen festgestellt. Nun ermittelt der Staatsschutz gegen die Männer im Alter zwischen 15 und 46 Jahren – darunter sowohl syrische und irakische als auch deutsche Staatsangehörige. Die Polizei hat die Schutzmassnahmen an der Synagoge erhöht.