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Film «Unser Vater» im Kino
Der sympathische Priester, der sechs Kinder hatte

Die sechs Halbgeschwister – hier mit Kindern und Enkeln – haben sich erst nach dem Tod ihres Erzeugers gefunden.
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«Chum e chli is Bett, de hämmer wärmer», sagt Toni im Pfarrhaus. Die junge Frau singt im Kirchenchor, er dirigiert. Im Bett zieht er ihr die Hosen herunter und vergewaltigt sie. Als sie später feststellt, dass sie schwanger ist, gibt er ihr Geld und trägt ihr auf, sie solle «tun, was sie kann». Die junge Frau treibt nicht ab, sondern kauft Wolle und beginnt, für ihr Ungeborenes zu stricken.

Seit damals sind viele Jahrzehnte vergangen, als die inzwischen betagte Frau mit ihrer erwachsenen Tochter vor der Kamera sitzt und sich an diese Begebenheit erinnert. Mit dieser Geschichte eröffnet der Dokumentarfilm «Unser Vater». 

War gemäss den Beschreibungen gesellig und beliebt: Anton Ebnöther auf einer undatierten Aufnahme.

Miklós Gimes, Schweizer Regisseur und ehemaliger Journalist des «Tages-Anzeigers», beleuchtet darin Anton «Toni» Ebnöther (1919–2011). Er war katholischer Priester und später, nachdem ihm der Bischof das Amt entzogen hatte, Gastwirt eines kleinen Hotels in Graubünden. Mindestens sechs Kinder von vier Frauen hat Ebnöther in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gezeugt. Manche Frauen verführte er, andere missbrauchte er.

Als eine seiner Töchter an Tonis Beerdigung von seinem Vorleben erfährt, macht sie sich auf die Suche. Fünf Halbgeschwister findet sie, diese sind heute zwischen 55 und 72 Jahren alt. Im Dokumentarfilm erzählen sie von ihrem vaterlosen Aufwachsen und ihrer lebenslangen Suche nach Anerkennung und Ehrlichkeit. 

Der Dokumentarfilm verzichtet auf Off-Kommentare und ist im Wesentlichen eine Aneinanderreihung von Interviews mit Tonis Kindern und deren Müttern. Die karge Erzählweise widerspiegelt das Milieu des Schweigens, in dem die jungen Frauen damals lebten: Die meisten von ihnen sahen im charmanten Toni eine Vaterfigur, sehnten sich nach Liebe und Aufmerksamkeit. Und fanden dann keine Worte für das, was ihnen widerfuhr: Missbrauch, Vertrauensverlust, soziale Ächtung. Sie schämten sich. Und schwiegen. 

Das Gefühl, getäuscht worden zu sein, beschäftigt die Kinder ein Leben lang.

Auch gegenüber ihren Kindern. Manche erfuhren diese erst durch Zufall oder als Erwachsene, wer der sympathische Toni wirklich war, nämlich ihr Erzeuger. Einer Tochter erklärte man, ihr Vater sei an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Damit sie nicht nachfragte. Und damit die Leute nicht tratschten.

Das Gefühl, getäuscht worden zu sein, beschäftigt die Kinder ein Leben lang. Einigen der Porträtierten kommen heute noch die Tränen. Anderen merkt man ihre Wut an über das, was er ihren Müttern angetan hat. Eindrücklich zeigt der Film, wie sich Traumata von Eltern auf ihre Kinder übertragen können.

Zum Beispiel bei Sohn Toni. Er und seine Schwester wurden als Kuckuckskinder geboren, nachdem sich seine Mutter mit Pfarrer Ebnöther eingelassen hatte. Später erlebt auch der Sohn, wie seine Frau ein Kind mit einem anderen Mann zeugt. Beziehungen bleiben schwierig für ihn. Er habe zum letzten Mal mit einer Frau geschlafen, als er 40 gewesen sei, sagt Sohn Toni, heute 70. Verstörend ist die Erinnerung von Ebnöthers ältester Tochter Lisbeth Binder (72); ihre Mutter war vom Priester vergewaltigt worden. Sie erzählt, wie ihr Erzeuger sie als erwachsene Frau im Auto bedrängte und küssen wollte.

Toni Meier (70) und seine Schwester Christina Meier (71) hadern heute noch mit ihrer Familiengeschichte.

Der Film lässt einen dennoch ein wenig ratlos zurück. Gern hätte man mehr biografische Details, mehr Hintergrund über Toni Ebnöther erfahren: über seine Herkunft beispielsweise oder zur Frage, ob er jemals juristisch belangt wurde für den sexuellen Missbrauch (im Film ist von Prozessakten die Rede). Oder was die Kirche zu ihm sagt. Ebnöther bleibt merkwürdig ungreifbar, obwohl es 73 Minuten lang nur um ihn geht. Aber auch das kann metaphorisch verstanden werden: Seinen Kindern erging es nicht anders.

«Unser Vater», ab 6. April in den Kinos. 

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