Viktor Orban drohtDer Störenfried könnte selber gehen
Lange haben EU-Parlamentarier mit dem Rauswurf von Viktor Orbans Regierungspartei gerungen. Nun könnte der ungarische Rechtsnationalist selber aus der konservativen Fraktion austreten.
Es wäre ein Ausweg, der allen gelegen kommt: Viktor Orban verlässt die Europäische Volkspartei (EVP) aus eigenem Antrieb, und die konservative Parteienfamilie müsste den ungarischen Störenfried nicht selber ausschliessen. Das Szenario könnte bald Wirklichkeit werden. Nämlich wenn die konservative Fraktion am Mittwoch im EU-Parlament wie geplant über neue Regeln entscheidet, wie künftig eine nationale Delegation einfacher suspendiert werden kann.
Viktor Orban hat in einem öffentlichen Brief an den Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber mit dem Austritt aus der konservativen Parteienfamilie gedroht, sollte die Statutenänderung zur Abstimmung gebracht und verabschiedet werden. Wenn seine Regierungspartei Fidesz nicht mehr willkommen sei, werde man sich nicht gezwungen sehen, zu bleiben. Orban möchte offenbar einer Suspendierung und einem Rauswurf seiner Abgeordneten zuvorkommen, die nach den neuen Regeln einfacher wäre.
«Gestapo-Methoden»
Die Konservativen stellen mit 187 Abgeordneten im EU-Parlament traditionell die stärkste Fraktion. Die Fidesz-Partei ist mit zwölf Abgeordneten vertreten. Das Verhältnis zwischen der Fraktion und der ungarischen Delegation ist schon länger zerrüttet, die Präsenz der Rechtsnationalisten eine Zerreissprobe für die konservative EVP. Ein neuer Tiefpunkt war im Dezember erreicht, als der Fidesz-Abgeordnete Tamas Deutsch dem Fraktionschef Manfred Weber «Gestapo-Methoden» vorwarf. Der Christlichsoziale aus Bayern unterstützte den neuen Mechanismus, mit dem die EU den Abbau von Rechtsstaat und Demokratie insbesondere in Ungarn stoppen möchte.
Der Eklat war auch für die mächtige deutsche Delegation in der Fraktion zu viel. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Abgeordneten der deutschen Christdemokraten waren es, die sich bisher gegen eine härtere Gangart gegenüber Orban gesträubt hatten. Es sei besser, Orban einzubinden, als ihn auszugrenzen und an den politischen Rand zu drängen, so bisher die Argumentation. Eine Rolle könnten zudem ökonomische Gründe spielen. Ungarn ist vor allem für die deutsche Autoindustrie verlängerte Werkbank. Auch gegen einen Rauswurf aus der Europäischen Volkspartei, Dachverband der Christdemokraten und Konservativen, haben sich die Deutschen gewehrt. Seit 2019 ist Fidesz dort als Mitglied schon suspendiert, während in der Fraktion die Abgeordneten aus Ungarn immer noch Einfluss, Redezeit und Ausschussposten behalten durften.
Neue Heimat für Orban
Delegationen aus den Beneluxstaaten und aus Skandinavien drohen, konservative Partei und Fraktion zu verlassen, wenn Orban mit seiner Fidesz-Partei nicht bald geht. Das besänftigende Appeasement gegenüber Ungarns zunehmend autoritärem Regierungschef habe sich nicht ausgezahlt. Orban sei nicht am Dialog mit der konservativen Parteienfamilie interessiert. Der Dauerkonflikt mit dem zunehmend autoritären Ungaren geht an die Identität und Glaubwürdigkeit von Europas konservativen Parteienfamilie, die sich als Architekten der europäischen Integration sehen.
Der Rechtsnationalist suchte schon vor Corona die Nähe zum damaligen US-Präsidenten Donald Trump oder zu Russlands Autokraten Wladimir Putin und polemisiert gleichzeitig gegen Brüssel. Es ist auch klar, wo die Fidesz-Partei eine neue politische Heimat finden wird. Viktor Orban hat der postfaschistischen Partei Fratelli D’Italia von Giorgia Meloni in einem Brief die Zusammenarbeit angeboten. Man teile dieselben «christlichen und konservativen Werte». Die rechtspopulistischen «Brüder Italiens» sind im EU-Parlament Teil der euroskeptischen ECR-Fraktion.
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