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Die Pest
Der Schwarze Tod kam aus Kirgistan

Der Ursprung der mittelalterlichen Pest liegt im Tian-Shan-Hochgebirge im heutigen Kirgistan.
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Vielleicht hatte ja 1338 oder einige Jahre früher irgendwo an einem Ausläufer des Tian-Shan-Hochgebirges im heutigen Staat Kirgistan in Zentralasien ein Mensch ein Murmeltier erlegt. Wie es noch heute immer wieder einmal vorkommt, war dieses Nagetier mit Yersinia-pestis-Bakterien infiziert. Ob sich diese erste Episode so oder ein wenig anders ereignet hat, wird sich wohl nie mehr genau aufklären lassen. Der schreckliche Rest der Geschichte ist dagegen sehr gut bekannt: Flöhe übertrugen das Bakterium auf andere Nagetiere wie Ratten, die in der Umgebung der Menschen lebten. Später gaben Flöhe das Bakterium an Menschen weiter, die an der Pest erkrankten und den Erreger dann über andere Flöhe an ihresgleichen übertrugen.

Als Handelsreisende diese mittelalterliche Pest über das Schwarze Meer ins Mittelmeer trugen, begann eine der verheerendsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit. Allein in den acht Jahren von 1346 bis 1353 könnten dieser auch unter dem Namen «Schwarzer Tod» bekannten Infektionskrankheit bis zu 60 Prozent der Bevölkerung in Europa und im Westen Asiens zum Opfer gefallen sein. Ausgangspunkt aber waren offensichtlich Bakterien, die noch heute in den Ausläufern des Tian-Shan-Gebirges Nagetiere infizieren, berichten Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und sein Team in der Fachzeitschrift «Nature».

Über den Ursprung der Pest wurde seit vielen Jahrzehnten gerätselt

«Das ist ein fantastisches Ergebnis», sagt Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität in München, der an dieser Studie nicht beteiligt war. «Schliesslich wurde bereits seit vielen Jahrzehnten über den Ursprung der mittelalterlichen Pest gerätselt, die einige Jahrhunderte lang Europa in Atem hielt», erklärt der Archäologe weiter. Oft konzentrierten sich die Vermutungen auf China, über die Seidenstrasse könnte der Erreger von dort nach Europa gekommen sein.

Bereits 1885 bis 1892 keimte ein anderer Verdacht, nach dem der Schwarze Tod in der Nähe des 182 Kilometer langen und 60 Kilometer breiten Yssykköl-Sees die Menschheit erreicht hätte. Damals zeigten Ausgrabungen, dass 1338 und 1339 aussergewöhnlich viele Menschen auf zwei Friedhöfen in der Umgebung des Gewässers beerdigt worden waren. Auf einigen Grabsteinen wurde auch eine verheerende Seuche erwähnt. Und es gab durchaus erste Hinweise auf die Pest als Ursache, nur konnte dieser Verdacht bisher nicht erhärtet werden.

Grabsteine wie dieser gaben bereits 1886 wichtige Hinweise auf den Ursprung der mittelalterlichen Pest im Tian-Shan-Hochgebirge im heutigen Kirgistan.

Die in syrisch-aramäischer Sprache verfassten Inschriften auf den Grabsteinen, in den Gräbern gefundene Münzen und andere Beigaben sowie historische Aufzeichnungen verrieten der Gruppe um Johannes Krause, dass in dieser Region Händler lebten, die in verschiedenen Regionen Asiens Geschäfte machten. Damals gehörte die Gegend in den heutigen Staaten Kirgistan und Usbekistan zu einem der vier Khanate, in die das Mongolenreich von Dschingis Khan zerfallen war. Der nördliche Nachbar war das Khanat der Goldenen Horde, das vom heutigen Kasachstan und dem Westen Sibiriens bis an das Schwarze Meer zur heutigen Ukraine und dem Süden Russlands reichte.

Genau dort aber starben an der unteren Wolga und auf der Halbinsel Krim 1345 die ersten Europäer an der Pest, die zuvor seit fast 600 Jahren aus Europa verschwunden war. Als die Goldene Horde 1346 die Stadt Kaffa auf der Krim belagerte, erreichte die Pest das weitverbreitete Handelsnetz des Stadtstaates Genua, der damals die Hafenstadt am Schwarzen Meer hielt. Vom Schwarzen Meer erreichte der Schwarze Tod so das Mittelmeer, breitete sich in gerade einmal acht Jahren über weite Teile Europas und Nordafrikas aus und kostete grosse Teile der damaligen Bevölkerung das Leben.

Der «Urknall» des Schwarzen Todes

Aber handelte es sich bei der Seuche der Jahre 1338 und 1339 in der Gegend des Yssykköl-Sees wirklich um die Pest? Diese Frage wollten Johannes Krause und sein Team mithilfe von sieben dort Bestatteten klären, deren Überreste seit den Ausgrabungen am Ende des 19. Jahrhunderts im Kunstkammer-Museum in Sankt Petersburg aufbewahrt werden. Aus jeweils einem Zahn versuchte die Gruppe Erbgut zu isolieren, in drei dieser Proben gelang der Nachweis von Yersinia pestis, und in zwei dieser Fälle konnte das gesamte Erbgut des Erregers rekonstruiert werden.

«Diese beiden alten Pest-Bakterien-Genome waren nicht nur identisch, sondern sind auch Zeitzeugen des ‹Urknalls› der Entwicklung des Schwarzen Todes», sagt Krause. Die Gruppe hatte einen Volltreffer gelandet, das isolierte Erbgut stammt exakt aus einem Knotenpunkt der Pest: Aus Bakterien mit diesem Erbgut entwickelte sich nämlich der sehr ähnliche Erreger, der den Schwarzen Tod der Jahre 1346 bis 1353 und bis in das frühe 19. Jahrhundert etliche weitere Ausbrüche dieser Infektionskrankheit verursachte.

Elektronenmikroskop-Aufnahme von Pest-Bakterien (Yersinia pestis). 

Aus diesem Urknall der Pest-Entwicklung gingen aber auch drei weitere Zweige der Pest hervor, die bis heute gemeinsam mit dem Zweig des Schwarzen Todes etwa 80 Prozent aller heute bekannten Pest-Linien stellen. Und dann gibt es noch einen fünften «Urzweig» der Pest, der nicht nur zum Urknall führte, sondern zu dem auch alle bisher identifizierten früheren Fälle dieser Infektionskrankheit gehören.

«Johannes Krause und sein Team haben da wirklich einen Volltreffer gelandet», sagt Philipp Stockhammer, «und das auch in Bezug auf die tatsächliche Herkunft der heute zirkulierenden Pest-Erreger.» Wurden bisher doch oft andere Regionen wie zum Beispiel China als Ursprung des Urknall-Bakteriums genannt, das von dort 1338 in die Region um den Yssykköl-Sees eingeschleppt worden sein könnte.

«Höchstwahrscheinlich entstand in der Umgebung des Yssykköl-Sees am Anfang des 14. Jahrhunderts eine der schlimmsten bekannten Pandemien der Menschheitsgeschichte.»

Johannes Krause, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig

Um diese Frage zu klären, haben sich Krause und sein Team das Erbgut der Yersinia-pestis-Bakterien angeschaut, die noch heute Nagetiere in aller Welt infizieren. Am engsten verwandt mit den Urknall-Erregern sind die Bakterien, die noch heute im Tian-Shan-Hochgebirge und an seinen Ausläufern ganz in der Nähe des Fundortes Nagetiere und unter diesen sehr häufig Murmeltiere infizieren.

Obendrein existieren in dieser kleinen Region auch heute noch Reservoirs der anderen drei Zweige der heute zirkulierenden Pest-Erreger. «Höchstwahrscheinlich entstand also genau dort in der Umgebung des Yssykköl-Sees am Anfang des 14. Jahrhunderts die mittelalterliche Pest», sagt Krause, «und damit einer der schlimmsten bekannten Pandemien der Menschheitsgeschichte.»

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