Italiens Cinque StelleDer schöne Traum von der direkten Demokratie im Netz zerschellt
Die Fünf Sterne trennen sich von Rousseau, ihrer Onlineplattform für direkte Demokratie. Der Bruch steht für das Ende einer Ära.
Der schöne Traum von der direkten Demokratie im Netz zerschellt am schnöden Geld. Wenigstens vorerst und vordergründig. Die Cinque Stelle, Italiens Partei mit den meisten Vertretern im Parlament, trennt sich im Streit von jener Internetfirma, der Mailänder Casaleggio Associati, die mit ihrer Plattform Rousseau die Utopie technisch und politisch unterstützt hat. Längst nicht alle Parlamentarier haben ihren statutarisch festgelegten Beitrag bezahlt, und so hatte die Partei plötzlich eine halbe Million Euro Schulden beim Unternehmen – genau: 450’000 Euro.
Natürlich hätte man diese Geldgeschichte lösen können, aber man wollte nicht. Der Bruch steht für das Ende einer Ära.
Der Netzguru und der Rampenclown – ein perfektes Duo
Die Ära begann in den Nullerjahren mit der Begegnung zwischen dem Komiker Beppe Grillo und Gianroberto Casaleggio, einem etwas schrägen Visionär des Internets mit eigener, kleiner Firma. Casaleggio schwärmte Grillo vor, dass sich die politische Szene des Landes aufmischen liesse mit einer dezentralen, basisdemokratischen Bewegung ohne Sitz und fast ohne Strukturen, in der immer alle zu allem befragt würden. Ohne feste Ideologie, weder rechts noch links, dafür viel Ökologie.
Er richtete Grillo, der selbst nichts von Technik verstand, einen Blog ein, und der wurde schnell sehr gross. Der öffentlichkeitsscheue Netzguru und der politische Clown als Frontmann – die zwei ergänzten sich perfekt. Die Rechnung ging für beide auf, auch finanziell.
Grillos Blog war alles in einem – bis es Casaleggio zu viel war
Alles lief über Grillos Blog: das Programm, die Kampagnen, die Abstimmungen und Urwahlen für die Kandidaten. 2015 wollte Casaleggio die Plattform, den ganzen technischen Unterbau, vom Blog lösen. Die beiden verkrachten sich in monumentalem Ausmass. Casaleggio sollte bis zu seinem Tod 2016 nicht mehr mit Grillo reden. Bei der Casaleggio Associati übernahm Davide, der Sohn Gianrobertos.
Der Vater hatte das Zerwürfnis weitervererbt, doch irgendwie blieb man dann doch zusammen. 2018 gewannen die Cinque Stelle die Parlamentswahlen mit 33 Prozent der Stimmen, ein Triumph.
Nach dem Sieg begann der Abstieg. Grillo, mittlerweile mit dem Titel «Garant» ausgestattet, eine Art Übervater, trug der Bewegung eine Reihe von Verwandlungen auf: Zuerst regierte man mit der rechten Lega, dann mit den Sozialdemokraten, nun mit Mario Draghi. In den Umfragen zeigte sich, dass die Wählerschaft zusehends verwirrt war, die Gunst brach ein. Auch Grillos persönlicher Stern ist verblasst, zuletzt vielleicht sogar unheilbar.
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Vergangene Woche verteidigte er in einem furiosen Videoplädoyer seinen Sohn Ciro, der verdächtigt wird, an einer Gruppenvergewaltigung teilgenommen zu haben, und griff dabei die junge Frau an, als wäre sie nicht Opfer, sondern Täterin. Selbst unter treuen «Grillini» ist man entgeistert.
Nun soll der ehemalige Premier Giuseppe Conte, ein linker Christdemokrat, die Partei übernehmen. Bis vor kurzem gehörte er der Bewegung nicht einmal an. Und dieser Conte will die Fünf Sterne einer weiteren Revolution unterziehen, ihnen ein neues Statut verpassen. Sogar einen festen Sitz sollen sie bekommen, mit richtigen Büros im Zentrum Roms, dazu Filialen in allen Regionen des Landes wie eine ganz normale Partei. Mit Davide Casaleggio verstand sich Conte nie sehr gut, ihre Welten sind nun mal nicht dieselben.
Die persönlichen Daten sind fast alles in diesem Geschäft
Nach der Trennung fordert er ihn nun auf, die persönlichen Daten aller etwa 130’000 eingeschriebenen und stimmberechtigten Mitglieder auszuhändigen. Jeder Klick auf der Plattform Rousseau ist gespeichert worden, und Daten sind Macht in diesem Geschäft. Dafür werde man auch die Schulden begleichen, sagte Conte am Wochenende, die ganzen 450’000 Euro, bald. Mal sehen, ob Casaleggio die Daten hergibt. Oder ob er zur Gegenoffensive bläst und eine eigene Partei gründet, mit seinen alten Gefolgsleuten. Dann wäre wohl «Star Wars», Krieg der Sterne.
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