Kommentar zur LohngleichheitDer sanfte Druck zahlt sich für die Frauen aus
Lohnanalysen sind für Firmen ein Mehraufwand. Doch die neue Pflicht entfaltet bereits präventiv ihre Wirkung.
Gleichberechtigung ist kein frommer Wunsch, sondern eine gesetzliche Pflicht. Seit bald vierzig Jahren steht die Lohngleichheit in der Schweizer Bundesverfassung – und doch verdienen Frauen im Schnitt jährlich noch immer rund 7000 Franken weniger, ohne dass sich das mit fehlender Berufserfahrung, tieferer Hierarchiestufe, der Ausbildung oder der Leistung rechtfertigen lässt.
Mädchen sind heute besser in der Schule als Buben. Sie schaffen eher den Sprung ans Gymnasium, und zunehmend laufen die jungen Frauen ihren Kollegen an den Universitäten den Rang ab. Ins Berufsleben starten Studienabgängerinnen aber mit niedrigeren Einstiegslöhnen als Studienabgänger. Verheiratete Frauen erhalten im Schnitt rund ein Viertel weniger Lohn als verheiratete Männer. Mütter verlieren nach der Babypause den Anschluss, kommen beruflich und lohnmässig nicht mehr voran.
Die Ungerechtigkeit ist unhaltbar.
Die Ungerechtigkeit ist unhaltbar. Ab dem 1. Juli soll sie nun mit einem neuen Gesetzesartikel beseitigt werden. Unternehmen mit hundert oder mehr Mitarbeitenden werden dazu verpflichtet, alle Löhne in ihrem Betrieb zu analysieren und von einer unabhängigen Stelle prüfen zu lassen. Strafen für Firmen, die ihre Mitarbeiterinnen beim Salär benachteiligen, gibt es aber nicht.
So wirkt die Bestimmung auf den ersten Blick zahnlos. Der Zwang zur Lohnanalyse klingt nach bürokratischem Mehraufwand ohne Effekt. Am Ende bestimmt doch die Chefin oder der Chef, ob jemand gute Arbeit leistet und deshalb mehr Lohn verdient oder nicht. Messen und vergleichen lässt sich Leistung sowieso nur bedingt.
Schon jetzt bereiten sich viele Firmen auf die Gesetzesänderung vor.
Auf den zweiten Blick entfaltet dieses sanfte Druckmittel aber bereits präventiv eine Kraft. So bereiten sich schon jetzt viele Firmen auf die Gesetzesänderung vor und lassen ihre Lohnbücher durchleuchten. Bei der UBS führte das zu ersten Korrekturen: Mehrere Frauen verdienen heute mehr Geld. Die Transparenz zwingt zum Umdenken – und zum Handeln. Das ist gut so.
Es ist unbefriedigend, dass wichtige Schritte zur Gleichberechtigung in den letzten Jahrzehnten wiederholt vom Gesetzgeber angeordnet werden mussten und es selbst dann nur schrittchenweise vorangeht. Die Richtung aber stimmt.
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