Prozess gegen Israels PremierDer Mann, der Netanyahu hinter Gitter bringen kann
Arnon Milchan ist ein enger Freund Benjamin Netanyahus. Der Hollywoodproduzent ist Schlüsselzeuge im Prozess gegen den israelischen Premier, weil er diesen einst schwer belastet hat.
Treffen sich ein schwer reicher Filmproduzent und ein mächtiger Premierminister vor Gericht. Es geht um Korruption, um persönliche Freundschaften und politische Gefälligkeiten, alles auf der grossen Bühne, alles vor den Kameras. Der Politiker sitzt hier als Angeklagter. Wird der Milliardär ihn ans Messer liefern?
Das ist der Plot, wie er kaum spannender aus einem der etwa 100 Filme stammen könnte, die der Israeli Arnon Milchan (78) schon in Hollywood produziert hat. «Pretty Woman» ist darunter oder das Mafia-Epos «Es war einmal in Amerika». All die Stars liessen sich gern mit Milchan fotografieren. Doch dies hier ist keine Fiktion, sondern Realität, reichlich bitter und bizarr.
«Fast wie Brüder»
Denn Milchan tritt als Schlüsselzeuge auf im Prozess gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu. Befragt wird er im Old Ship Hotel des englischen Seebads Brighton, weil er aus Gesundheitsgründen, wie es heisst, nicht nach Israel reisen konnte. Der Angeklagte dagegen sitzt im Gerichtssaal in Jerusalem, wohin das Ganze live per Zoom übertragen wird. «Hallo, Bibi», sagt Milchan, als er mitbekommt, dass Netanyahu den Saal betritt.
Die beiden sind Freunde seit den Neunzigerjahren, «fast wie Brüder», erklärt Milchan nun vor Gericht. Dennoch hatte er Netanyahu schwer belastet anno 2017 mit einer Aussage bei der Polizei, wo er von all den teuren Geschenken berichtete, die Netanyahu und seine Gattin Sara bei ihm eingefordert hätten: Zigarren und Champagner, Hemden für den Herrn und Schmuck für die Dame. Im Gegenzug soll sich Netanyahu in Sachen Steuern sowie bei einem neuen 10-Jahre-Visum für die USA für Milchan eingesetzt haben.
Die Netanyahus seien «grenzenlose Hedonisten», sagte Milchan israelischen Medienberichten zufolge damals den Ermittlern. Er sei «angeekelt» gewesen von ihren Forderungen. Sechs Jahre später im Gerichtssaal bestätigt er die teuren Geschenke, die sich auf einen Wert von umgerechnet fast 200’000 Franken summieren sollen. Allerdings hat er nun plötzlich ein paar Erinnerungslücken und spricht mit Blick auf die gelieferten Güter lieber von «Anfragen» als von «Forderungen». Womöglich hängt das auch damit zusammen, dass dieser Befragung im Hotel leibhaftig auch Netanyahus Gattin Sara beiwohnt, die das Recht zur Teilnahme eigens beim Gericht beantragt hatte. Freundschaft ist gut, Kontrolle ist besser.
«Ich kann keine Auskunft darüber geben, was Netanyahu und ich alles im Verborgenen für das Land getan haben.»
Mit seiner Rolle in diesem Prozess fühlt sich Milchan sichtlich unwohl. Er sieht gewiss auch den eigenen Ruf und das Lebenswerk in Gefahr. Für sich selbst hatte er schliesslich bisher immer die Heldenrolle beansprucht. Sein Leben war stets schnell und schillernd. Vom Aufstieg versteht er etwas, der Fall ist ihm fremd.
Bevor er zum Film und nach Hollywood kam, hatte er mit 21 Jahren bereits vom Vater eine Düngemittelfabrik in Rechovot übernommen und zum international erfolgreichen Chemiekonzern ausgebaut. Bald schon stieg er ins Geschäft mit Waffen ein, und in Israels Politik war er immer schon bestens vernetzt, über alle Parteigrenzen hinweg. Shimon Peres soll es gewesen sein, der Milchan Mitte der Sechzigerjahre für den Auslandgeheimdienst Mossad rekrutierte. Peres war damals zuständig für Israels Programm zum Bau der Atombombe. Milchan soll bei der Materialbeschaffung geholfen haben.
Alles ganz geheim natürlich, doch als Berichte darüber vor gut zehn Jahren an die Öffentlichkeit kamen, verglich sich Milchan selbst auch gern mal mit James Bond. «Ich kann keine Auskunft darüber geben, was Netanyahu und ich alles im Verborgenen für das Land getan haben», hat er nun auch wieder vor Gericht erklärt. Die Ankläger werden sicher weiterbohren, insgesamt zwei Wochen soll er nun befragt werden. Wie dieses Drama ausgeht, ist noch unklar.
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