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Untergang der CS
Der letzte Abzocker der Credit Suisse

Liess die Credit Suisse immer gut aussehen: Finanzchef David Mathers.
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Dieser Artikel erschien erstmals am 20. Mai 2023. Anlässlich des ersten Jahrestages des Untergangs der Credit Suisse haben wir ihn für Sie aktualisiert.

Als Sergio Ermotti für die Kader von UBS und Credit Suisse erstmals ein gemeinsames «Town Hall Meeting» abhielt, erschraken selbst die altgedienten CS-Banker. Ermotti zeichnete das Bild eines verschachtelten Konzerns, in dem sich alles und jedes verstecken liess. Über 1000 Untergesellschaften formen heute die Credit Suisse. Zum Vergleich: Die UBS hat «nur» rund 300 Untergesellschaften. 

Das Schachtelgebilde, das sich als Kartenhaus entpuppte, ist das Werk von David Mathers, dem langjährigen Finanzchef der Bank. Mathers war nicht einfach nur CFO, er war auch oberster IT-Chef und CEO der CS International, in der all die heiklen Geschäfte abgewickelt wurden.

Mathers war der Einzige, der innerhalb der CS bis kurz vor Schluss den Überblick hatte und wusste, wie die finanzielle Situation wirklich aussah. Er hat sich einen legendären Ruf geschaffen, weil er es fertigbrachte, die Bank immer gut aussehen zu lassen – selbst als es längst nicht mehr so war. Darum setzten auch alle auf den Briten, die «unter ihm» CEO waren: Brady Dougan, Tidjane Thiam, Thomas Gottstein und für kurze Zeit auch Ulrich Körner.

Die Kosten verschwanden in der Bilanz

Ein Trick, in dem Mathers laut übereinstimmenden Aussagen von mehreren hochrangigen CS-Managern der Meister ist, war das Aktivieren von Kosten. So aktivierte er in der Bilanz systematisch alle IT-Projekte samt den Unsummen von Beraterhonoraren, die sie verursachten. Dies hatte den Effekt, dass die Kosten erst einmal nicht den Gewinn belasteten, das Ergebnis beschönigt wurde und die Boni fliessen liess.

Dass die Posten in Zukunft abgeschrieben werden mussten, kümmerte niemanden, hatte aber zur Folge, dass die Bank bis 2020 eine operative Stärke vorgaukelte, die sie schon längst nicht mehr hatte. Was die IT betraf, so musste die CS im letzten Jahr Abschreiber von Hunderten Millionen Franken vornehmen. Doch damit nicht genug, muss doch die UBS bei der Übernahme nochmals Software für 2 Milliarden Dollar abschreiben. 

Der Aktivierungstrick beschränkte sich nicht nur auf die IT. So hatte die CS Pensionskassengelder von 4,5 Milliarden Dollar aktiviert, ähnlich wie das die Swissair kurz vor dem Untergang getan hatte. Bei der Übernahme wurden davon 3,8 Milliarden Dollar abgeschrieben. Total beurteilt die UBS Aktiven von 28 Milliarden Dollar als Luft, wie den jüngsten Veröffentlichungen zu entnehmen ist. Das sind zwei Drittel des ausgewiesenen Eigenkapitals von 45 Milliarden Franken.

Reserven aufgelöst und die Zukunft verkauft

Der zweite Trick, den Mathers beherrschte, war der Verkauf von allem, was Wert hatte. So wie die Immobilien. Die mussten nach amerikanischen Börsenregeln (US GAAP) zu Anschaffungskosten bilanziert werden. Also wurden sie mit Buchgewinnen in Milliardenhöhe verkauft.

Das hatte Folgen: Unter «Liegenschaften und Einrichtungen» verbuchte die CS 2011 knapp 15 Milliarden Franken. Davon machten die Gebäude und Grundstücke knapp 5 Milliarden Franken aus, der Rest verteilte sich auf 5,4 Milliarden Franken für Einbauten und 4,6 Milliarden für Software. Elf Jahre später waren es noch 13 Milliarden Franken. Liegenschaften und Grundstücke machen noch 1,35 Milliarden Franken aus, die Software 8,15 Milliarden – so viel wie der Börsenwert der CS kurz vor der Übernahme. 

Doch es waren nicht nur Häuser, die verkauft wurden, sondern auch viel zukunftsträchtiges Geschäft. «Sell something» (auf Deutsch: verkauf etwas) hiess es, wenn das Geschäft mal wieder schlecht lief. Und das tat Mathers zum Beispiel im Jahr 2013: das Private-​Equity-Geschäft ging an Blackstone, das Geschäft mit ETFs an Blackrock und die «Customized Fund Investment Group» (CFIG) an Grosvenor. Alles Perlen, mit denen Konkurrenten wie Partners Group heute viel Geld verdienen, aber bei der CS nur einen kurzfristigen Buchgewinn von ein paar Hundert Millionen und den Managern ihre Boni brachten. 

Auch die Zuweisung der Kosten und an die verschiedenen Divisionen hatte Mathers in der Hand. So liessen sich die Abschreibungen der Divisionen über einen internen Schlüssel steuern. Das nutzte er dafür, das Private Banking und die CS Schweiz immer gut aussehen zu lassen. Warum? Die Analysten bewerten diese Geschäftsbereiche mit sogenannten Multiplikatoren auf dem Gewinn. Beim Private Banking liegt er bei 12, bei der Schweizer Bank bei 10, beim Firmenkundengeschäft und in der Investmentbank deutlich tiefer. 

Ein Nachteil dieser Tricks ist heute offensichtlich: Die Bank verlor den Überblick darüber, ob sie wirklich Geld verdiente. Und, so wissen wir heute, sie tat es nicht. Ermotti brachte es im «Town Hall» auf den Punkt: Die CS verursacht Kosten von 15 Milliarden Franken und hat Einnahmen von 11 Milliarden Franken. 

Thiam wollte nicht hören

Mathers war nicht unumstritten. So warnte etwa Joe Oechslin als Risikomanager den ehemaligen CS-Chef Tidjane Thiam mehrmals vor ungedeckten Risiken im Investmentbanking. Doch Thiam wollte nicht hören und schickte ihn Anfang 2019 in die Wüste. Auch als die 2022 eingesetzte Joanne Hannaford die Buchungspraktiken in der IT ändern wollte, lief sie auf und musste das Spiel erst einmal mitspielen, dennoch konnte sich Mathers durchsetzen.

Den Kopf gekostet hat Mathers laut Insidern erst eine Erkenntnis aus dem Archegos-Debakel: Denn es war Mathers persönlich, der die Risk-Limite so einstellte, dass der Verlust von 5 Milliarden Dollar entstehen konnte. Oechslin hatte 2022 ein Comeback, aber da war es schon zu spät.

Gelinde gesagt war Mathers Umgang mit den Aufsichtsbehörden «nonchalant». Von der Finma hielt er nichts: Die CS reichte keine verlässlichen Unterlagen ein, Fristen wurden nicht eingehalten, auf Nachfragen reagierte die Bank mit Ausreden, wie ein Insider sagt. Ähnliches zeigt sich in der Korrespondenz der Bank mit der US-Börsenaufsicht SEC (Lesen Sie dazu: «Mit Grössenwahn in den Untergang»), die bis zu seinem Abgang direkt über den Finanzchef lief.

Mathers bekam den letzten Bonus

Mather schaute nicht nur zur Bank, er vergass auch sein eigenes Portemonnaie nicht. So war er der Einzige, der nicht wie ein Schweizer Manager bezahlt wurde, er lief unter englischer Regulierung. Mathers flog jeweils unter der Woche von London ein. Das hatte einen entscheidenden Vorteil: Er erhielt einen deutlich höheren Fixlohn als alle übrigen Mitglieder der Geschäftsleitung. Thiam bekam 3 Millionen fix, Gottstein 2,5 Millionen.

Mathers erhielt 3,5 Millionen Franken und letztes Jahr für nur zehn Monate sogar noch 50’000 Franken dazu. Hinzu kommen jeweils ordentliche Zahlungen in die Pensionskasse von rund 300’000 Franken, noch mal so viel ausserordentlich und ein paar Hunderttausend Franken an zusätzlichen Boni. Gesamthaft waren das in Mathers CS-Zeit sicher 60 Millionen Franken Cash.

Geradezu grotesk scheint, dass er als einziges Mitglied der Geschäftsleitung Anteile von einem Sonderbonus bekam, mit dem sich die CS-Geschäftsleitung 2020 total 54 Millionen Franken sichern wollte. Leider wurden alle Ziele verfehlt und niemand bekam etwas – ausser einer. Ausgerechnet Mathers, der Finanzchef, erhielt seinen Anteil, vermutlich rund 600’000 Franken. Wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, nicht aufgrund harter Zahlen, sondern weicher Faktoren, eben weil er als englischer Manager galt.