Tattoos verraten MafiosoDer Koch auf Youtube war ein Boss der Mafia
Italien gelingt ein Doppelschlag gegen die kalabrische ‘Ndrangheta – nicht ganz zufällig.
Wenn Bosse der Mafia untertauchen, um sich der Justiz zu entziehen, nennt man sie in Italien «Flüchtige». Der Begriff führt oft in die Irre. Wenigstens geografisch ist es selten eine Flucht: Die meisten verstecken sich nämlich daheim, um auch ja nichts von ihrer Einschüchterungsmacht einzubüssen. Sie leben dann jahrelang in fensterlosen Löchern unter ihren Häusern, die sie eigens dafür ausheben liessen, die können auch feudal ausgestattet sein. Oder in Berghöhlen. Oder in vermeintlich verlassenen Scheunen in Olivenhainen.
Andere fliehen tatsächlich ins Ausland und fliegen erst auf, wenn sie leichtsinnige Fehler begehen oder wenn das Schicksal zuschlägt. Zwei von ihnen sind nun verhaftet worden, ein mittlerer und ein richtig grosser Fisch der kalabrischen ‘Ndrangheta.
Seinen Kopf zeigte er nie, aber viel tätowierte Haut
In der Dominikanischen Republik haben sie Marc Feren Claude Biart festgenommen, 53 Jahre alt, geboren in Rom. Der Drogenhändler hatte früher für einen Clan aus Rosarno gearbeitet, stationiert war er in den Niederlanden. 2014 setzte er sich ab und landete in Boca Chica und lebte ein recht unauffälliges Leben, er mied Luxus und Mondänität. In der italienischen Gemeinde von Boca Chica kannte man ihn nur als «Marc». Irgendwann muss er sich sicher gefühlt haben.
Er erlag der Versuchung, sich einer seiner grossen Leidenschaften hinzugeben: dem Kochen – und zwar vor grossem Publikum. Mit seiner Frau richtete er einen Channel auf Youtube ein, italienische Küche. Der Mafioso zeigte nie seinen Kopf in den Videos, die sie drehten. Doch da es in der Karibik nun mal warm ist, blieb viel tätowierte Haut frei. Die Fahnder aus der Heimat erkannten die Tattoos, dann ging es ganz schnell, und eine Maschine brachte ihn nach Mailand.
Francesco Pelle wurde Corona zum Verhängnis. Er lag in einer Klinik in Lissabon, als die Polizei kam, eingewiesen unter falschem Namen, offenbar war er unfähig zu reden: Covid-19 setzt ihm schwer zu. Pelle ist einer der meistgesuchten Bosse Italiens, je nach Klassement Top 8 oder Top 30 der gefährlichsten Mafiosi, 44 Jahre alt, aus dem kalabrischen Africo. In Italien ist er unter dem Spitznamen «Ciccio Pakistan» bekannt: «Ciccio» ist eine verniedlichende Form für Francesco, und «Pakistan nennt man ihn, weil er entfernt südasiatische Gesichtszüge und etwas dunklere Hautfarbe hat.
Niedlich ist nichts an seiner Geschichte. Pelle ist einer der Protagonisten jener noch immer fast unfassbaren, über viele Jahre dauernde Bruderfehde unter vier Familien der ‘Ndrangheta, die im sogenannten Massaker von Duisburg 2007 kulminierte: mit sechs Toten, alles junge und sehr junge Männer, vor der Pizzeria Da Bruno beim Bahnhof. Rache und Gegenrache in einem brutalen Rhythmus.
Im Rollstuhl, aber in seinem Rachewahn gefürchtet
«Ciccio Pakistan» war ein Jahr davor knapp einem Mordkomplott der Rivalen entgangen: Ein Killer der Clans Nirta und Strangio hatte mit einem Präzisionsgewehr aus der Ferne auf ihn geschossen, als er auf seiner Sonnenterrasse lag. Die Kugeln trafen ihn am Rücken, er ist seitdem an den Rollstuhl gebunden.
In seinem blutigen Rachewahn wurde er zu einem gefürchteten Boss, mit einem dichten Netz an Helfern. Anders ist seine lange Flucht nicht zu erklären. Erst Corona schaffte «Ciccio Pakistan». Er ist zu einer lebenslänglichen Gefängnisstrafe verurteilt, mit dem umstrittenen Zusatz «fine pena mai» – ohne Aussicht auf ein Ende der Haft.
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