Kommentar zum SP-EntscheidDer Jositsch-Knatsch offenbart, wie schlecht es um die Gleichstellung steht
Statt über kompetente SP-Politikerinnen redet die Schweiz während Tagen über einen Mann. Das ist bezeichnend.
Die SP-Fraktion will, dass Simonetta Sommaruga durch eine Frau ersetzt wird. Ein zweiter SP-Mann im Bundesrat kommt für sie nicht infrage. Dieser Entscheid ist konsequent und erfüllt die Erwartungen ihrer – zu einem wesentlichen Teil weiblichen – Wählerschaft. Die SP setzt in ihren eigenen Reihen um, was sie politisch fordert: die Gleichstellung der Geschlechter.
Die Fraktion stärkt ihrem Co-Präsidium den Rücken. Mattea Meyer und Cédric Wermuth waren mit der Forderung nach einem Frauen-Ticket vorgeprescht. Sie ernteten dafür Kritik. Der Knatsch mit dem Zürcher Ständerat Daniel Jositsch dominierte während Tagen die Schlagzeilen. Die Debatte – die auch vom bürgerlichen Lager befeuert wurde – offenbarte, wo die Schweiz in Sachen Gleichberechtigung steht: Dass Frauen in der Regierung angemessen vertreten sind und gleichberechtigt mitbestimmen, ist immer noch nicht selbstverständlich.
«Die SP hat es verpasst, ihre fähigsten Politikerinnen ins mediale Schaufenster zu stellen.»
Die SP hat sich mit dem öffentlich ausgetragenen Streit keinen Gefallen getan. Dass sie über äusserst kompetente Anwärterinnen verfügt, ging daneben fast unter. Selbst wenn einzelne Frauen absagen, können die Sozialdemokraten immer noch mehrere starke Kandidatinnen portieren. Anderen Parteien – namentlich der SVP, wo Männer das Rennen um die Nachfolge von Ueli Maurer unter sich ausmachen – sind sie damit weit voraus.
Doch die SP hat es verpasst, nach dem Rücktritt Sommarugas ihre fähigsten Politikerinnen ins mediale Schaufenster zu stellen. Ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen wirkt sie zerstritten.
Das Führungsduo Meyer/Wermuth hat die Machtprobe für sich entschieden. Auf dem Erfolg ausruhen kann es sich allerdings nicht. Die SP hat in kantonalen Parlamenten zuletzt Mandate verloren. Die Prognosen für die National- und Ständeratswahlen von 2023 sind wenig erbaulich. Da sind politische Visionen gefragt – nicht Schlagzeilen über parteiinterne Konflikte.
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