Atomstreit, Jemen, IrakDer Iran fordert die USA an drei Fronten
Die Regierung von Joe Biden richtet ihre Politik im Mittleren Osten neu aus. Das lässt Amerikaner und Europäer zusammenrücken. Vor allem im Atomstreit mit Teheran wollen sie gemeinsam vorgehen.
Die Drähte über den Atlantik funktionieren wieder. Kaum hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Dienstagabend gemeldet, dass der Iran seine Zusammenarbeit mit den Inspektoren von Dienstag an einschränke, wurde am Mittwoch ein Treffen der Aussenminister Frankreichs, Grossbritanniens und Deutschlands für den heutigen Donnerstag in Paris anberaumt. Dabei soll auch ein gemeinsamer virtueller Austausch mit US-Aussenminister Antony Blinken stattfinden. Im Fokus steht der Iran.
Unter US-Präsident Donald Trump herrschte bei dem Thema eisiges Schweigen. Vier Wochen nach der Amtsübernahme von Joe Biden ist die Abstimmung zum Umgang mit der Islamischen Republik schon fast Normalität. Das hatte sich auch schon nach dem Raketenangriff auf einen US-Stützpunkt im Irak am Montag gezeigt und auch in der Jemen-Politik.
Das Vorgehen des Iran gegen die IAEA war erwartet worden. Es folgt einem vom Parlament verabschiedeten Gesetz. Demnach rückt die Islamische Republik in raschen Schritten ab vom Atomabkommen aus dem Sommer 2015. Teheran wird künftig keine mit kurzer Frist angekündigten Kontrollen mehr zulassen, laut Präsident Hassan Rohani die weit weniger scharfe Routineüberwachung seiner gemeldeten Atomanlagen aber weiter ermöglichen.
Raketenangriff auf US-Stützpunkt in Arbil
Während die Europäer es bisher angesichts von Trumps Ausstieg aus dem Abkommen im Mai 2018 vor allem mit Appellen versuchten und den Mechanismus zur Konfliktlösung aus dem Vertrag bemühten, dürften sie sich nun zu einer deutlicheren Reaktion gedrängt sehen. Auch der Iran müsse zur Deeskalation der Situation beitragen, heisst es von Diplomaten. Zwischen den USA und dem Iran stehen die Zeichen derzeit auf Eskalation. Der Iran hat die neue US-Regierung aufgefordert, die harten Wirtschafts- und Handelssanktionen gegen das Land aufzuheben.
Den Raketenangriff auf einen US-Stützpunkt in Arbil, der Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Irak, haben die Aussenminister der USA, Frankreichs, Grossbritanniens und Deutschlands gemeinsam verurteilt. Dabei war am Montag ein ziviler irakischer Mitarbeiter des US-Militärs getötet und acht weitere ebenso wie ein US-Soldat verletzt worden. Angriffe auf Personal oder Einrichtungen der USA und der Anti-IS-Koalition werde man nicht hinnehmen, hiess es in einer gemeinsamen Mitteilung. Man werde die irakische Regierung unterstützen, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Vieles deutet auf den Iran.
Eine Gruppe namens Saraya Awliya al-Dam übernahm die Verantwortung für die Attacke. Sie schoss laut kurdischen Sicherheitskreisen mit Artillerieraketen des Kalibers 107 Millimeter, wie sie auch der Iran produziert. Die Gruppe gilt westlichen Geheimdiensten als eine der Tarnorganisationen, zweistellig an der Zahl, die direkt vom Iran kontrollierte und finanzierte Schiitenmilizen wie Kata’ib Hezbollah und Asa’ib Ahl al-Haq im Irak aufgebaut haben.
Die Nato plant, ihre Ausbildung der irakischen Streitkräfte wieder deutlich auszuweiten.
Trumps Aussenminister Mike Pompeo hatte dem Irak für solche Angriffe mit der Schliessung der Botschaft in Bagdad gedroht und auch mit Luftangriffen auf mit dem Iran verbündete Milizen im Irak. Trump hatte im Januar 2020 einen Drohnenangriff auf den iranischen Revolutionsgarden-General Qassem Soleimani am Flughafen von Bagdad angeordnet, der das Netzwerk der von Teheran gesteuerten Milizen kontrollierte.
Bidens Sprecherin Jen Psaki sagte nun, der Präsident behalte sich das Recht vor, zu einer Zeit und auf eine Art seiner Wahl zu antworten. Man werde aber warten, bis die Urheber der Attacke klar identifiziert seien. «Ich will Ihnen vermitteln, dass Diplomatie in dieser Regierung Priorität hat», fügte sie hinzu. Lässt Biden den Angriff jedoch unbeantwortet, riskiert er weitere Attacken auf die noch 2500 US-Soldaten im Land, die inzwischen auf drei Stützpunkten zusammengezogen worden sind.
Während Trump den US-Rückzug forciert hatte, plant die Nato nun, ihre Ausbildung der irakischen Streitkräfte wieder deutlich auszuweiten – bis zu 4500 zusätzliche Soldaten sollen entsandt werden, wenn die Corona-Pandemie überwunden ist.
USA distanzieren sich von Saudi-Krieg im Jemen
Hoffnung hegen die Europäer auch, zusammen mit den USA den verheerenden Krieg im Jemen zu beenden. Biden machte den erfahrenen Diplomaten Tim Lenderking zum Sondergesandten: Das gilt als Signal, dass Washington eine aktive Rolle spielen will. Bidens Sprecherin kündigte an, der Präsident werde Kontakt zu seinem Gegenpart suchen – und das sei König Salman. Für Kronprinz Muhammad bin Salman sei Verteidigungsminister Lloyd Austin der Ansprechpartner.
Der Königssohn ist der massgebliche Treiber der saudischen Militärintervention im Jemen. Er bekleidet offiziell das Amt des Vizepremiers und des Verteidigungsministers, gilt aber als der eigentliche starke Mann in Riad, der die Tagespolitik steuert. Unter Trump hatte er über dessen Schwiegersohn und Nahostberater Jared Kushner direkten Zugang zum Weissen Haus.
Biden hat schon kurz nach Amtsantritt angekündigt, die Waffenlieferungen an Saudiarabien einzustellen, ebenso wie die Unterstützung für offensive Operationen des Königreichs. Zudem revidierte Aussenminister Blinken die Einstufung der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen als Terrororganisation. Die Huthi allerdings haben ihre Offensive in der Provinz Marib ausgeweitet. Dort liegen Ölquellen, die zwar international unbedeutend sind, aber eine wichtige Rolle in der Versorgung des Landes und als Einnahmequelle spielen.
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