Wenn Haare provozierenDer «imperialistische» Schnurrbart
Der US-Botschafter in Südkorea hat seinen Schnauz rasiert. «Wegen der Hitze», sagt Harry Harris – doch es steckt viel mehr dahinter.
Der Coiffeurbesuch eines Botschafters interessiert normalerweise niemanden. Doch dass Harry Harris am Wochenende einen einfachen Friseursalon in Seoul betreten hat, ist ein diplomatischer Akt. Die US-Botschaft in Südkorea hat diesen in einem Video dokumentiert: Harris begrüsst den Friseur per Ellbogen und setzt sich. Ein rosa Tuch um den Hals, den Stuhl nach hinten kippen – und schon ist der Schnauzer weg. «Der Sommer in Seoul ist viel zu heiss für Maske und Moustache», sagt Botschafter Harris.
Das Wetter ist nur ein Vorwand für den inszenierten Termin beim südkoreanischen Friseur. Seit Harry Harris vor zwei Jahren zum Botschafter ernannt worden ist, wird sein Schnurrbart kritisiert. Er erinnert viele Südkoreaner an die japanischen Generalgouverneure und damit an eine schlimme Zeit. Von 1910 bis 1945 war Südkorea eine japanische Kolonie. Die Bevölkerung wurde unterdrückt. Koreaner schufteten in japanischen Bergwerken, Koreanerinnen wurden für sexuelle Dienste von japanischen Soldaten missbraucht. Noch heute ist das Klima zwischen den beiden Ländern belastet, die gemeinsame Geschichte nicht wirklich aufgearbeitet.
Harry Harris sagte der Zeitung «Korean Times» Anfang Jahr, dass er die historische Feindseligkeit zwischen Japan und Südkorea verstehe. Doch die Körperpflege sei seine persönliche Entscheidung. Während seiner Karriere bei der amerikanischen Marine sei er immer glatt rasiert gewesen. Mit dem Schnurrbart wolle er eine Zäsur zwischen dem alten Leben als Admiral und dem neuen als Diplomat schaffen. «Ich habe versucht, grösser zu werden, aber ich konnte nicht grösser werden, und so habe ich versucht, jünger zu werden, aber ich konnte nicht jünger werden. Einen Schnurrbart konnte ich mir wachsen lassen, also tat ich das», sagte der 63-Jährige.
Die Mutter des US-Botschafters ist Japanerin. Er könne seine ethnische Herkunft nicht leugnen, sagte Harris. Auf die Frage, ob er den Schnauzer rasieren wolle, antwortete er im Januar: «Sie müssten mich davon überzeugen, dass der Schnurrbart unserer Beziehung schadet.» Das Verhältnis zwischen Washington und Seoul war in der letzten Zeit nicht nur einfach. Donald Trump forderte etwa, dass Südkorea fünfmal so viel wie in den vergangenen Jahren für die Soldaten bezahlen soll, welche die USA entsenden. Darauf kletterten Demonstranten über die Mauern der Residenz von Botschafter Harry Harris, der die Pläne Trumps verkündete.
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Kevin Gray, Professor für Internationale Beziehungen, sieht darin den Grund für die Schnurrbart-Kritik der Südkoreaner. Sie seien erzürnt, weil der US-Botschafter zunehmend imperialistisch auftrete und versuche, die Regierungspolitik im Land zu diktieren. Der Schnauz von Harris widerspiegele das Image der USA, respektlos gegenüber Korea zu sein.
«Wow, ich habe dieses Gesicht seit Jahren nicht mehr gesehen.»
Doch nun ist dieser politisierte Bart Geschichte. Im Salon in Seoul schneidet der Friseur zum Schluss mit dem Messer die letzten Härchen weg, zupft auch noch paar Augenbrauen. Dann steht Harry Harris auf, wirft die Krawatte nach hinten und wäscht sich die Wangen. «Wow, ich habe dieses Gesicht seit Jahren nicht mehr gesehen», sagt er im Video. «Best shave ever», schreibt er ins Gästebuch und verlässt den Coiffeur: auf zu weiteren diplomatischen Verpflichtungen.
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