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Wahlen in Weissrussland
Der Hoffnungsträger sitzt hinter Gittern

Ein Mann des Establishment und deshalb gefährlich:  Ex-Präsidentschaftskandidat Wiktor Babariko.
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Zuerst hatte die Wahlkommission erklärt, er dürfe im Rennen bleiben: Da sass Wiktor Babariko, 56, nun in seiner Zelle, ausgesperrt von der Freiheit da draussen, allein gelassen mit einer freudigen Nachricht, die ihm wie bürokratisch formulierter Spott vorkommen musste. Der oppositionelle Bewerber um das Präsidentenamt in Weissrussland war vor vier Wochen festgenommen worden wegen angeblich «illegaler Aktivitäten».

Von Geldwäsche und Steuerbetrug war die Rede; Präsident Alexander Lukaschenko hatte ihn einen Schurken genannt, das war noch seine freundlichste Bezeichnung. Aber trotz der wuchtigen Anschuldigungen liess man ihn zunächst auf der Kandidatenliste für das höchste Staatsamt. Vom Knast in den Präsidentenpalast, kann das gehen? So viel Fantasie hatten die wenigsten. Und nun ist auch die letzte Illusion seiner Anhänger zerschlagen: Babariko ist von der weissrussischen Präsidentenwahl am 9. August ausgeschlossen worden.

Kein charismatischer Oppositioneller

Amnesty International hat ihn zum politischen Gefangenen erklärt, die Europäische Union dringt auf seine Freilassung, vor allem aber: Wer hätte gedacht, dass sich wegen Babariko in Minsk einmal Tausende junge Menschen zu kilometerlangen Protestschlangen aufreihen würden? Er hat nichts Ikonografisches, ist kein charismatischer Oppositioneller, kein bewunderter Künstler, Sportler, der in die Politik geht und Applaus mit leichter Hand in Wählerstimmen umlenken kann.

Zwei Jahrzehnte lang ist Babariko ein führender Banker gewesen, Direktor der sperrig klingenden Belgasprombank. In einer solchen Position gehört man zum Establishment. Und genau das war es wohl, was bei Lukaschenko grosse Furcht auslöste und bei vielen Weissrussen Hoffnung schürte: dass dieser bisher so wenig aufmüpfige reiche Manager Babariko den seit 26 Jahren autoritär regierenden Staatschef ernsthaft herausfordern, das Land ein wenig verändern könnte. Mehr als 400’000 Unterschriften soll er für seine Bewerbung bei den Behörden eingereicht haben. Das war ein Statement.

Tausende versammelten sich für Babariko: Die Polizei geht in Minsk mit Gewalt gegen junge Demonstranten vor.

Kurz vor der Festnahme sagte er der Deutschen Welle in einem Interview: «Die Machthaber fühlen sich heute sehr unsicher. Sie haben auch nicht erwartet, dass der Wunsch nach Veränderung bei den Weissrussen so gross ist.» Sollte er nicht zugelassen werden, würde dies aus der Wahl «eine Farce machen und erneut die Verachtung des Volkes bedeuten», sagte er.

Aber in Babariko sieht Minsk offenbar auch ein leichtes Ziel. Seine Bank gehört zur russischen Gasprombank und damit zum mächtigen russischen Energiekonzern. Babariko ein Handlanger Moskaus? Weissrussland ist mit seinem grossen Nachbarn seit längerer Zeit im Streit verbunden, und Babariko soll nun also eine jener «Puppen» im Lande sein (Zitat Lukaschenko), die von ausländischen Puppenspielern geführt werden. Russland hat dies zurückgewiesen, Babariko auch, und dabei mehrmals versichert: «Weissrussland first.»

Auf dem Kunstmarkt hat er Werke von Künstlern mit weissrussischen Wurzeln gekauft.

Dafür sehen viele Weissrussen sogar kräftige Belege. Vor allem in der heimischen Kunstszene. Ohne Titel und Preise geht es nicht mehr, nirgendwo – Wiktor Babariko wurde also 2014 Kunstpatron des Jahres. Seit knapp zehn Jahren hat er auf dem internationalen Kunstmarkt Werke von Künstlern mit weissrussischen Wurzeln gekauft und so unter anderem den aus Witebsk stammenden Maler Marc Chagall der heimischen Bevölkerung zugänglich gemacht.

Die Bank unterstützte unter Babarikos Leitung auch das Kulturzentrum OK-16 in einem angesagten kreativen Minsker Fabrikviertel. Neulich aber nahmen die Behörden in einer Galerie bedeutende Bilder von den Wänden, weil sie angeblich ins Ausland entführt werden sollten. Zurückgeblieben sind hängende Drähte und gerahmte QR-Codes, mit denen sich die Werke jetzt digital anschauen lassen. Entstanden ist daraus aber auch ein Pro-Babariko-Protest in der weissrussischen Kunstszene. Nicht gerade das, was sich die Behörden erhofft hatten.