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Kommentar zur Wahl in Äthiopien
Der herzlose Herrscher

Vom mutigen Reformer zum Kriegstreiber: Premier Abiy Ahmed. 
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Gute drei Wochen haben sie in Äthiopien gebraucht, um das Ergebnis zu errechnen, das schon vorher feststand: Ministerpräsident Abiy Ahmed hat die Parlamentswahl vom Juni gewonnen – mit einer Mehrheit, die in von autoritären Regimen beherrschten Ländern eine gute Tradition hat. Die fairste und freiste Wahl nannte Abiy den Urnengang, obwohl grosse Teile der Opposition sich im Gefängnis befinden und ein Fünftel des Landes gar nicht mitmachen durfte. Ist man zynisch, könnte man sagen: Recht hat er trotzdem, weil es unter den äthiopischen Diktaturen davor noch schlimmer war.

Aber auch das kann man bezweifeln, nachdem Abiy das Kunststück fertigbrachte, erst mit dem Erzfeind Eritrea Frieden zu schliessen und dafür den Friedensnobelpreis zu bekommen, um dann gemeinsam mit den Nachbarn auf die eigene Bevölkerung loszugehen, einen Konflikt in der Region Tigray eskalieren zu lassen, den man womöglich auch anders hätte lösen können. Frauen wurden vergewaltigt, Männer in Massen erschossen und verscharrt.

Krieg, hatte er bei seiner Nobelpreis-Rede gesagt, mache die Menschen bitter und herzlos. So ist es letztlich auch mit Abiy geschehen; für viele war es ein Rätsel, wie ein mutiger Reformer so schnell zum Kriegstreiber werden konnte. Äthiopien zu regieren, ist wie ein Höllenkommando. An allen Ecken und Enden des Riesenreichs findet sich eine Volksgruppe, die sich jahrelang unterdrückt gefühlt hat und nun mehr Geld, Macht und so weiter fordert.

Es ist die Realität eines Landes, in dem über Jahrzehnte eine Volksgruppe gegen die andere ausgespielt wurde. Eines Landes, das Abiy von einer Diktatur in eine Demokratie überführen wollte. Die Konflikte, die in solchen Phasen entstehen, in denen die alten Mächtigen nicht mit ihrem Regime untergehen wollen – Abiy hat sie gut gekannt, er hat einen akademischen Titel in «Transformatorischer Führung». Aber die Theorie ist halt das eine, sie wirklich entschärfen zu wollen, das andere. Abiy wollte vor allem geliebt werden. Die Wahl ist wahrscheinlich seine letzte Chance, sich neu zu erfinden, zu den Zielen zurückzukehren, die er vielleicht ursprünglich einmal hatte.