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Roms menschliche Ampel
Der Herr des Chaos ist zurück

Roms Ampelmann: Der Pizzardone auf der Piazza Venezia
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Der Pizzardone ist zurück, und wie hat er doch gefehlt! Ein Jahr war er weg gewesen, vielleicht sogar zwei. Gefühlt jedenfalls eine Ewigkeit. Die römische Piazza Venezia hat nun also nach einer viel zu langen Pause für den Bau der neuen U-Bahn-Linie C und die Renovierung des Kopfsteinpflasters seinen Dirigenten wieder, den Bändiger des Verkehrschaos, das sich da jeden Tag entfaltet – laut und bedrohlich für Mensch und Umwelt. Ein Wunder, dass es auch ohne ihn ging!

«Pizzardone» ist ein Wort aus dem römischen Dialekt, abgeleitet von «pizzarda», «Zweispitz». Im 19. Jahrhundert trugen die Polizisten beeindruckend grosse Hüte mit hochgeschürzter Krempe. Das tun sie schon lange nicht mehr, aber der Name blieb, wie in dieser schönen Stadt fast alles für immer bleibt.

Der Pizzardone von der Piazza Venezia, der wichtigsten Kreuzung im Zentrum, ist von allen Pizzardoni der bekannteste. Eine sagenhafte Figur mit sehr weissen Stoffhandschuhen und engelhaft erhabenen, fliessenden Bewegungen. Mit seinen Gesten leitet und begleitet er die Flüsse, die da von der Via del Corso oder von der Via Quattro Novembre kommen und an ihm vorbeiziehen, rüber zum Altar des Vaterlands, zum Kapitol, zu den Kaiserforen. Es ist, als streichelte er ihnen nach.

Der Pizzardone brauche einen feinen Sinn für Technik und Choreografie, heisst es, und er müsse alle gleich behandeln. Und an der Piazza Venezia kommen nun mal alle vorbei: die Limousinen der Mächtigen von Politik und Kirche auf Dienstfahrt von einem Palazzo zum anderen, der Blumenhändler auf seinem Weg zum Campo de’ Fiori, ein ständig schwirrender Schwarm von Motorradfahrern, neuerdings auch abenteuerliche Junge auf E-Rollern.

Auch eine Filmfigur

Mario Buffone, heute 72, war der Eleganteste von allen; er versah den Dienst auf der Piazza Venezia jahrzehntelang. Sein nicht sehr glücklicher Nachname, der «Narr» bedeutet, war kein Hindernis für begeisterte Elogen. Man rief ihn «Muti des Verkehrs», nach Riccardo Muti, dem italienischen Stardirigenten.

Überhaupt waren Verkehrspolizisten immer schon beliebte Alltagsprotagonisten in Italien, gefeiert in vielen Filmen. Auch Alberto Sordi, der römischste aller Schauspieler, trat oft in Polizistenrollen auf. Es waren immer komische Rollen. Früher gab es in Italien auch den Brauch der «Befana del Vigile», des Dreikönigsfests für Polizisten. Einmal im Jahr verziehen die Bürger den Beamten, dass sie ihnen Geldstrafen anhängen, und beschenkten sie mit Panettone, Champagner, Salami, Früchten – ganze Berge davon legten sie ihnen zu Füssen, während die unterdessen einfach weiterdirigierten. Im Netz gibt es ein schönes Zeitdokument dazu aus dem Jahr 1950.

Nun steht der Pizzardone also wieder auf dem Podest, seiner Bühne, einen guten halben Meter hoch. In den Anfängen war der Sockel aus Holz, später aus Beton. Weil in der Nacht oft Fahrer dagegenprallten, gedankenverloren oder trunken vom Leben, versah man das Podest 2006 mit einer Hydraulik: Es lässt sich also nach Dienstschluss wieder im Boden verstauen. Und hochfahren, wenn der Wahnsinn am Morgen wieder losgeht. Jeden Tag, in alle Ewigkeit.