US-Chefdiplomat im Nahen OstenDer Gefechtslärm zwingt die USA in die nahöstliche Arena zurück
Beim Besuch in Israel und Palästina bekräftigt US-Aussenminister Antony Blinken das Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung. Zunächst will Washington aber vor allen Trumps einseitige Politik zugunsten Israels korrigieren.
Der Terminplan ist prall gefüllt, US-Aussenminister Antony Blinken durchmisst die nahöstliche Krisenregion in Siebenmeilenstiefeln. Nach hochrangigen Treffen in Jerusalem und Ramallah brach er am Mittwoch in Richtung Kairo und Amman auf. Das vorrangige Ziel seiner Reise: Er will den am Freitag verkündeten Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen Hamas festigen. Doch auch darüber hinaus sind die Erwartungen gross – die Möglichkeiten allerdings sind eher bescheiden. Denn an eine Chance zum langfristigen Frieden und zur Gründung eines Palästinenserstaats scheint auch in Washington derzeit niemand zu glauben.
In seinen Gesprächen in Jerusalem bekräftigte Blinken zwar das Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft zur Zwei-Staaten-Lösung. Vor dem Hintergrund des jüngsten Waffengangs, so erklärte er, müsse man nun «einen grösseren Komplex grundlegender Probleme und Herausforderungen angehen». Doch de facto gibt es bereits seit 2014 keine Friedensgespräche mehr zwischen Israelis und Palästinensern, und vor dem jüngsten Gaza-Krieg hatte Washington auch keinerlei Ehrgeiz erkennen lassen, daran etwas ändern zu wollen. Die aussenpolitischen Prioritäten liegen woanders – in China, Russland, dem Iran.
Wiederaufbau im Gazastreifen
Allein der jüngste Gefechtslärm hat die US-Regierung zurück in die alte nahöstliche Arena gezwungen. Konzentrieren will sie sich nun zunächst auf den Wiederaufbau im Gazastreifen. Dazu würden die USA einen «erheblichen Beitrag leisten» und sich auch international um Unterstützung bemühen, versprach Blinken.
Die Umsetzung jedoch dürfte schwierig werden, denn der US-Aussenminister nannte als Bedingung, dass die im Gazastreifen herrschende Hamas nicht von der Hilfe profitieren dürfe. Im Gegenteil: Die Islamisten, die in den USA und in der EU als Terrororganisation geführt werden, sollen seinen Vorstellungen zufolge sogar durch eine gezielte Verbesserung der Lebensbedingungen im Gazastreifen ins Abseits gedrängt werden. Stärken wollen die USA dafür wieder die von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas in Ramallah geführte Palästinensische Autonomiebehörde.
Das Problem an diesem Plan: Der 85-jährige Abbas ist unter den Palästinensern hochgradig unpopulär, zumal nach der erneuten Absage von Wahlen. Die Dynamik des jüngsten Kriegs hat ihn sogar fast irrelevant erscheinen lassen, während sich die Hamas breite Unterstützung im Lager der Palästinenser sichern konnte. Und in dem von der Hamas beherrschten Gazastreifen hat Abbas ohnehin schon seit 2007 keinerlei Einfluss mehr. Wie unter diesen Bedingungen die Aufbauhilfe für Gaza ohne die Hamas gelingen soll, bleibt ein Rätsel.
Im Nahostkonflikt geht es der neuen US-Regierung von Präsident Joe Biden offenkundig zunächst darum, die Uhren zurückzustellen auf die Zeit vor der Präsidentschaft von Donald Trump. Nach Trumps einseitiger Politik zugunsten Israels soll dabei den Palästinensern das Gefühl vermittelt werden, wieder einen Ansprechpartner in Washington zu haben. Blinken bemühte sich deshalb um ausgewogene Erklärungen. Die «politischen Führer auf beiden Seiten» müssten einen besseren Kurs einschlagen, erklärte er bei seinem Besuch in Ramallah. Israelis und Palästinenser hätten gleichermassen das Recht auf ein Leben in Sicherheit.
Blinken kündigte in Ramallah an, dass das von Trump geschlossene US-Generalkonsulat in Jerusalem wieder eröffnet werden soll.
Als konkrete Massnahme wurde die von Trump eingestellte Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde sowie für UNRWA, das UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge, in Höhe von 360 Millionen Dollar wieder aufgenommen. Obendrein kündigte Blinken in Ramallah an, dass das von Trump geschlossene US-Generalkonsulat in Jerusalem wieder eröffnet werden soll. Dies hatte früher als diplomatische Verbindung zur Palästinenser-Regierung von Abbas gedient.
In Israel traf Blinken nicht nur Premierminister Benjamin Netanyahu, sondern auch dessen politische Gegenspieler wie Verteidigungsminister Benny Gantz und den Oppositionsführer Yair Lapid. Die beiden bemühen sich gerade um die Bildung einer neuen Regierung, die Netanyahu ablösen soll. Erst danach – und gleichermassen nach einer Veränderung der Machtverhältnisse im Palästinenser-Lager – könnten sich wohl wieder Chancen auf einen Neustart im Friedensprozess eröffnen. Bis dahin geht es auch für die USA vorrangig um eine Eindämmung des Konflikts. Unterstützung dabei dürfte Blinken zum Abschluss seiner Nahostreise beim ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi sowie beim jordanischen König Abdullah suchen.
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