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Fragen und Antworten zur Energiekrise
Der Bund will im Notfall Strom aus Öl und Gas produzieren

Anlagen wie diese könnten wieder zum Einsatz kommen: Das mit Schweröl beheizte Wärmekraftwerk Chavalon bei Vouvry VS war von1965 bis 1999 in Betrieb.
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Vor einigen Monaten hat der Bundesrat Massnahmen beschlossen, um die Versorgungssicherheit im Winter zu erhöhen: eine Wasserkraftreserve bereits für nächsten Winter und ab 2025 Gaskraftwerke als zweite Reserve. Wegen der drohenden Mangellage infolge des Ukraine-Krieges sollen nun beide Reserven bereits kommenden Winter zur Verfügung stehen. Der Bundesrat hat am Mittwoch beschlossen, dass das Energiedepartement (Uvek) und das Wirtschaftsdepartement (WBF) Vertragsverhandlungen zum Einsatz von Reservekraftwerken führen können.

Wann kämen die Gas-/Ölkraftwerke zum Einsatz?

Die Kraftwerke sollen nur in einer Notsituation zum Einsatz kommen – während weniger Tage, wenn der Strommarkt die Nachfrage vorübergehend nicht decken kann.

Wo stehen die Kraftwerke?

Vor Abschluss der Verhandlungen gibt der Bund darüber keine Auskunft. Es wird damit gerechnet, dass die Verträge in den nächsten Wochen abgeschlossen werden. Klar ist: Wegen der unsicheren Gasversorgung sollen die Anlagen auch mit Öl funktionieren. Geprüft wurden zum einen bestehende Gaskraftwerke wie jenes in Birr im Kanton Aargau, zum anderen neue mobile Anlagen.

Wie viel Strom könnten die Kraftwerke liefern?

Laut dem Uvek stünde mit den Reservekraftwerken ein Potenzial von insgesamt über 300 Megawatt Leistung für den Einsatz im Spätwinter zur Verfügung. Dies entspricht etwa 80 Prozent des abgeschalteten Atomkraftwerks Mühleberg. 

Sind Gas- und Ölkraftwerke nicht umweltschädlich?

Würde vorübergehend Strom aus Öl produziert, müssten die Grenzwerte für Luftverschmutzung und Lärm temporär aufgehoben werden. Die Abklärungen zur Anpassung der Verordnungen laufen. Die Reservekraftwerke sollen ausserdem dem CO₂-Emissionshandelssystem unterstellt werden.

Kann das Parlament mitreden?

Nein. Die rechtlichen Grundlagen will der Bundesrat vorerst selber erlassen – in einer Verordnung, die spätestens Mitte Februar 2023 in Kraft treten soll. Später soll das Parlament über gesetzliche Regeln entscheiden. Geregelt werden müssen die Entschädigung für die Betreiber sowie die Zuständigkeiten für den Abruf im Bedarfsfall. So ist beispielsweise zu klären, wann die Wasserkraftreserve und wann die Gas-/Ölkraftwerkreserve abgerufen wird. Zur Finanzierung wird der Bundesrat dem Parlament Kredite beantragen. 

Wie kommt der Entscheid an?

Kritisch äussern sich die Grünen und die Grünliberalen. Grünen-Fraktionschefin Aline Trede stellt sich zwar nicht kategorisch dagegen, im Notfall vorübergehend Strom aus Öl und Gas zu produzieren. Dass der Bundesrat das ins Auge fasse, bevor er Effizienz- und Sparmassnahmen ergreife, sei aber unverständlich und «kommunikativ total falsch», sagt Trede. «Jetzt wäre der Moment für einen grossen Schritt bei der Energieeffizienz.» Auch GLP-Nationalrat Beat Flach sagt, das Sparpotenzial sei riesig. «20 Prozent des Stroms werden unsinnig verbraten», sagt Flach. Bevor mit dem Verbrennen von Öl die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet werde, müsse sich das ändern. Eine Sensibilisierungskampagne des Bundes ist für Ende August angekündigt. 

Energiepolitiker anderer Parteien begrüssen, dass der Bundesrat vorsorgt. «Kurzfristig geht es nicht anders, die Stromversorgung hat Priorität», sagt SVP-Nationalrat Christian Imark. Wegen der Energiestrategie seien nun solche Massnahmen nötig. SP-Fraktionschef Roger Nordmann widerspricht: «Gescheitert ist die Öl-, Gas- und Uran-Importstrategie der SVP», sagt er. Die Schweiz habe zu wenig in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert. Dass nun für den Notfall vorgesorgt werden müsse, sei unschön, aber nötig. 

Wie gross ist die Wasserkraftreserve?

Darüber wird die Elektrizitätskommission (Elcom) demnächst entscheiden. Vorgesehen ist, dass die Betreiber von Speicherkraftwerken eine bestimmte Menge Energie zurückbehalten, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Dafür sollen sie entschädigt werden, weil sie dadurch weniger Strom verkaufen können. Voraussichtlich Anfang September erfolgt die Ausschreibung. 

Welche weiteren Massnahmen plant der Bund?

Der Bund prüft weiter, ob bestehende Notstromaggregate als Reserve genutzt werden könnten. In der Schweiz gibt es rund 300 Notstromaggregate mit einer Gesamtleistung von rund 280 Megawatt. Diese könnten für Systemdienstleistungen eingesetzt werden. Ausserdem soll die Betriebsspannung von wichtigen Übertragungsleitungen erhöht werden, um Engpässe zu entschärfen. Ferner hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen, die Flächen entlang von Nationalstrassen kostenlos für die Produktion von Strom aus Fotovoltaik zur Verfügung zu stellen, etwa Lärmschutzwände und Rastplätze. Voraussichtlich Ende Jahr wird ein Bewerbungsverfahren durchgeführt. Das Potenzial von Fotovoltaik entlang der Nationalstrassen beträgt 55 Gigawattstunden pro Jahr. Ein Teil wird bereits genutzt. 

Vor einigen Wochen hatten der Bund und die Branche bekannt gegeben, was im Falle einer Strommangellage geschehen würde. Vorgesehen ist ein Stufenplan. In einem ersten Schritt gäbe es Sparappelle.