Ungewöhnlicher Prozess Der Bärenjäger wehrt sich energisch
Der Polizist, der eine Jagdeinladung nach Sibirien annahm, will einen Freispruch erreichen. Dafür greift er seine Ankläger an, von denen er sich verraten fühlt.
Mit drei teuren Flaschen Whiskey und viel Schweizer Schoggi im Gepäck ist Viktor K. (Name geändert) im August 2016 nach Russland gereist. So hat es der frühere Russlandexperte der Bundeskriminalpolizei am Dienstagnachmittag vor dem Bundesstrafgericht ausgesagt.
Die Gastgeschenke nahm er mit in jene Ferienwoche, die ihm vor einem Jahr in derselben Sache vor demselben Gericht eine bedingte Geldstrafe eingetragen hat: eine ausgedehnte Bärenjagd auf der Halbinsel Kamtschatka mit einer Gruppe um einen hohen Vertreter der russischen Generalstaatsanwaltschaft und einen Oligarchen. Dafür bezahlte der Endfünfziger aus Bern nichts. Er hatte nur die Gastgeschenke dabei.
Nun wehrt sich der langjährige Ermittler in zweiter Instanz gegen die Verurteilung wegen Vorteilsannahme. Dabei unterstützt haben ihn nun teilweise zwei ehemalige Arbeitskollegen. Beide waren früher bei der Bundesanwaltschaft mit Russlandfällen betraut. Nun sind sie als Zeugen befragt worden.
Anne-Claude Scheidegger war mit dem Angeklagten zweimal in Moskau gewesen. Die frühere Staatsanwältin des Bundes erinnerte sich, wie sie gemeinsam mit K. sowie ihrem Delegationsleiter Patrick Lamon von einem hohen Vertreter der russischen Generalstaatsanwalt zu einem Jagdwochenende eingeladen worden war. Sie habe das Angebot möglichst freundlich abgelehnt, weil ihre Position dies nicht zugelassen habe.
K. hingegen nahm an und hat gemäss der heutigen Walliser Staatsanwältin Scheidegger nie ein Geheimnis aus seinen Ausflügen zum Jagen gemacht. Er habe eben als Spezialpolizist eine «verschwommene Funktion» gehabt.
Die Aussage passte K. sichtlich, denn er beteuert seit je und eh, dass seine Reisen und seine informelle Kontaktpflege von der Bundesanwaltschaft nicht nur geduldet, sondern gewollt gewesen seien. Der Russlandexperte war eine Art Justizdiplomat und als Berater mit Bundesanwalt Lauber in die ehemalige Sowjetunion gereist.
Auf dem «heiklen Pflaster Russland»
Der pensionierte Staatsanwalt Lienhard Ochsner als zweiter Zeuge lobte die Arbeit des Beschuldigten als «gut» und «korrekt». K. habe versucht, auf dem «heiklen Pflaster Russland» etwas zu erreichen und dafür sogar während seiner Ferien Gespräche mit Vertretern der russischen Generalstaatsanwaltschaft geführt.
Als K. wegen einer solchen Reise freigestellt wurde, ist Ochsner gemäss seiner Aussage überrascht gewesen, dass die Staatsschutzabteilung der Bundesanwaltschaft gegen den Berater des Bundesanwalts zu ermitteln begann.
Dies kritisierte auch Verteidiger Dominic Nellen in seinem Plädoyer scharf. Der Leitende Staatsanwalt des Bundes, Carlo Bulletti, ein Duzkollege von K., habe gar nicht neutral ermitteln können.
Der passive Ankläger
Bulletti, der Staatsschutzchef der Bundesanwaltschaft, ist zum Berufungsprozess nicht erschienen und hat zwei Mitarbeiterinnen als Stellvertreterinnen geschickt. Zuvor hatte er im Strafverfahren keinen einzigen Zeugen befragt.
Die neue Berufungskammer hat dies nun nachgeholt, indem sie auch noch den ehemaligen Vorgesetzten von K. bei der Bundeskriminalpolizei vorlud. Der Ex-Kommissariatsleiter als dritter Zeuge sagte aus, er habe nichts von den Einladungen zur Jagd in Russland gewusst. Er hätte dies auch nie genehmigt.
K. war wegen einer nicht genehmigten Moskaureise entlassen worden. Heute fühlt er sich von der Bundesanwaltschaft und der Bundeskriminalpolizei verraten. Er macht geltend, dass er mit mehreren genutzten Jagdeinladungen nur seine Aufgabe erfüllen wollte: die Beziehung zur russischen Justiz pflegen und Fälle voranbringen.
Verteidiger Nellen verlangte für seinen Mandanten einen Freispruch, eine Genugtuung und eine Entschädigung für Verfahrensaufwand und Erwerbsausfall von insgesamt weit über 200’000 Franken.
Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft forderte eine Bestätigung der Verurteilung wegen der Bärenjagd. K. hatte in erster Instanz eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 150 Franken erhalten. Das Urteil wird am Mittwoch eröffnet.
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