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Neuer Writer-in-Residence in Zürich
Der Autor, der in Syrien ausharrt

Das Exil kommt für ihn nicht infrage: Der syrische Autor Khaled Khalifa bei einem Auftritt in Schottland im Sommer 2019.

Syrien, war da mal was? Den Aufstand gegen sein Regime hat Machthaber Bashar al-Assad brutal niedergeschlagen, um den Preis von Zigtausend Toten, Verwundeten, in Folterkellern Verschwundenen, um den Preis auch eines zerstückelten Landes, in dem Milizen aller Arten und diverse ausländische Mächte mitbestimmen.

Syrien ist aus den Schlagzeilen verschwunden, die Aufmerksamkeit hat sich ganz dem Ukraine-Krieg zugewandt. Von Frieden ist Syrien weit entfernt, Millionen haben ihre Heimat verlassen, sitzen in der Türkei fest oder schlagen sich in Europa durch. Khaled Khalifa ist geblieben. Ein regimekritischer Schriftsteller in Damaskus, geht das? Er findet: Ja.

Das Exil kommt für ihn nicht infrage, nur in Syrien kann er leben und schreiben, auch wenn seine Bücher regelmässig verboten werden. Dafür sind sie in bis zu 20 Sprachen übersetzt, und seine Landsleute können, wenn sie sich trauen, sie ebenfalls lesen – importiert aus dem Libanon und unter der Ladentheke verkauft. Sogar über Raubdrucke freut sich der Autor – verdienen kann er mit Romanen ohnehin nicht genug zum Leben. Er finanziert sich mit Drehbüchern für Filme und Fernsehserien.

Nur ausländische Autorinnen und Autoren erwünscht

In Zürich ist Khaled Khalifa bereits im Literaturhaus aufgetreten, jetzt kommt er für ein halbes Jahr in die Stadt: als 25. Writer-in-Residence. Das Programm, für das die Stiftung PWG eine Wohnung zur Verfügung stellt, ragt aus dem weitverbreiteten Gastschriftstellerwesen heraus: Eingeladen werden ausnahmslos ausländische Autoren. Sie bekommen viel Schreibzeit – und die Zürcher Kontakt zu Literatur- und Lebenswelten, wie sie fremder nicht sein können.

Zu den Eingeladenen zählten etwa Viktor Martinowitsch aus Weissrussland, Kiran Nagarkar aus Indien, Ken Bugul aus dem Senegal oder Maaza Mengiste aus Äthiopien.

Er erzählt, was Repression und Bürgerkrieg seinem Land angetan haben.

Nun also Khaled Khalifa. 1964 in Aleppo geboren, hat er dort Jura studiert und eine Literaturzeitschrift mitgegründet. Seit langem lebt er in Damaskus. Seine Romane blicken zurück auf eine Vergangenheit, in der Angehörige verschiedener Religionen friedlich zusammenlebten – so in «Keiner betete an ihren Gräbern», 2022 bei Rowohlt auf Deutsch erschienen, eine Generationengeschichte über 80 Jahre vom Osmanischen Reich bis zur Staatsgründung in den 1950er-Jahren. Sie erzählen aber auch, ungeschminkt und mutig, von dem, was Repression und Bürgerkrieg dem Land und seinen Bewohnern angetan haben. 

Ein Toter wird verhaftet

In «Der Tod ist ein mühsames Geschäft» (auf Deutsch 2018) bringen drei Geschwister ihren toten Vater aus der Hauptstadt in sein Heimatdorf – ein groteskes Roadmovie durch Checkpoints diverser Milizen, die schon mal Details aus dem Koran abfragen und die den Vater, der auf den Eisblöcken im Minibus langsam verwest, mal als «Ware» registrieren, mal als «Regimegegner» verhaften. Eine Allegorie auf ein Land, das vor die Hunde geht.

«Keine Messer in den Küchen der Stadt» (2013, deutsch 2020) zeigt ein in Religions- und ideologische Gruppen zerfallenes Land, in dem Misstrauen und Paranoia noch die letzten intakten Kerne, die Familien, zersetzen. Einen «stinkenden Trümmerhaufen» nennt es der Protagonist, ein wie immer bei Khalifa charakteristisch schwacher Held, zerquält von der eigenen Ohnmacht und der Scham der Anpassung.  

In ein paar Wochen wird sich Khaled Khalifa dem Schweizer Publikum vorstellen. Lesen kann man ihn jetzt schon.