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Proteste am Gipfeltag
Der 87-jährige Jean Ziegler geisselt Biden und Putin

Jean Ziegler streckt seinen Mahnfinger auch im hohen Alter noch immer gerne in die Höhe.
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Proteste für die Freilassung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny gibt es in Genf regelmässig. Ebenso laut sind die Rufe, Whistleblower Julian Assange gehöre aus der von den USA verlangten Auslieferungshaft in Grossbritannien zurück in die Freiheit. Der Gipfel mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden kam Genfer Menschenrechtsaktivisten also gerade recht, ihre Anliegen endlich einmal vor den Direktverantwortlichen vorzutragen. Vor einigen Tagen schon haben sie am Seeufer ein Mahnmal enthüllt, das Nawalny, Assange und Whistleblowern dieser Welt gewidmet ist.

Die Aussicht auf laute Proteste kam der Schweiz als Gastgeberin und Organisatorin des Gipfels eher ungelegen. Ihr Ziel war es, Biden und Putin bei ihrer Beziehungspflege möglichst nicht zu stören. Gänzlich unterdrücken wollte man den Protest in der UNO-Stadt aber auch nicht. Also bewilligte der Kanton Genf zwar Demonstrationen, schränkte aber die Versammlungsfreiheit örtlich ein. Er erlaubte Kundgebungen auf dem zentralen Platz Plainpalais, untersagte aber Umzüge durch die Stadt. Damit sorgte Genf dafür, dass der Protest zwar auf die Strasse, nicht aber in die Nähe der beiden Staatschefs kam. Die Polizei blieb nahezu unsichtbar, war aber in Seitenstrassen in Bereitschaft.

«Abrüstung für den Frieden», fordert die Kampagnenorganisation Campax von Wladimir Putin und Joe Biden.

Trotz Schutz und Abschirmung: Den ersten Protest des Tages bekam Russlands Machthaber Wladimir Putin womöglich dennoch mit. Just während seines Anflugs auf den Genfer Flughafen kreuzte auf dem Lac Léman ein Schiff, das im Wasser ein Transparent hinter sich herschleppte. «Peace and security through disarmament» («Frieden und Sicherheit durch Abrüstung») stand auf dem Banner. «Die Botschaft soll den russischen und den amerikanischen Machthaber daran erinnern, dass die Welt sich nicht sicher fühlt, wenn zwei verfeindete Grossmächte mehr als 10’000 einsatzbereite Atomsprengköpfe in ihren Arsenalen führen», schrieb die Schweizer Kampagnen- und Mobilisierungsorganisation Campax später in einer Medienmitteilung.

Auf der Plaine de Plainpalais demonstrierten während und nach Beendigung des Gipfels rund zehn Gruppierungen für verschiedenste Anliegen. Eine Gruppe übergab der nächsten buchstäblich das Mikrofon. Äthiopier und Eritreer tanzten zu Musik ihrer Heimat und schwenkten Plakate mit der Botschaft: «Ja zum Frieden zwischen Äthiopien und Eritrea. Nein zu unberechtigten Druckversuchen der USA.» Am Abend versammelten sich diverse Gruppen der politischen Linken und der Gewerkschaftsbewegung, Kurden, Palästinenser, Ukrainer, Türken und Syrer zur grössten Kundgebung während des Gipfels: einige Hundert Leute insgesamt. Ein Redner sprach davon, Exilrussen hätten am Tag zuvor bei einem Protest auf dem Plainpalais die Befreiung von Alexei Nawalny gefordert und seien danach verfolgt und eingeschüchtert worden. Weil sie sich um ihr eigenes Wohl und das Wohl ihrer Familien fürchteten, würden sie nun auf einen erneuten Auftritt verzichten.

An den Anti-Gipfel-Kundgebungen wurden Putin und Biden als «Imperialisten» bezeichnet.

An der Hauptdemo trat auch der langjährige SP-Nationalrat, UNO-Sonderberichterstatter und emeritierte Soziologieprofessor Jean Ziegler ans Rednerpult. «Wir leben in einer kannibalistischen Weltordnung. Dafür sind in erster Linie die beiden Präsidenten verantwortlich, die sich diesen Nachmittag in der Villa La Grange getroffen haben», sagte der 87-Jährige. 17’000 Kinder unter zehn Jahren stürben jeden Tag an Hunger, eine Milliarde Menschen sei schwer und permanent unterernährt, und gleichzeitig würden Weltmächte, namentlich die USA und Russland, ihre Waffenproduktion hochfahren, kritisierte Ziegler.

Biden und Putin rief der Genfer zum Handeln auf und forderte, auf Kriegshandlungen und Stellvertreterkriege zu verzichten. Seine Rede beendete Ziegler mit einem Zitat seines Idols Ernesto «Che» Guevara, das später zum Thema eines chilenischen Kampflieds wurde. «Das vereinte Volk ist unbesiegbar», rief er in die Menge.

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