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Den Haager Urteil zum Gaza-Krieg
Israel wird zunehmend isoliert

This handout picture released by the Israeli army on May 7, 2024 shows Israeli Defence Minister Yoav Gallant standing with soldiers by a self-propelled artillery howitzer during a visit to a position along the border with the Gaza Strip in southern Israel near Rafah. (Photo by Israeli Army / AFP) / === RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / Handout / Israeli Army' - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS ==
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Die Woche des Missvergnügens endete für Israels Regierung am Freitag mit einem weiteren Donnerschlag aus Den Haag: Der Internationale Gerichtshof hat angeordnet, dass Israels Armee die Offensive in Rafah wegen der Gefahren für die palästinensische Zivilbevölkerung sofort beenden muss.

Es ist ein weiterer Beleg dafür, dass die Welt den Druck auf Israel erhöht, einen Ausweg zu finden aus dem Krieg in Gaza. In Israel aber sehen es viele als neuen Beweis dafür, dass die Welt dem jüdischen Staat feindlich gegenübersteht. Die konträren Sichtweisen haben allerdings eines gemeinsam: Beide zeigen Israels drohende Isolation.

Liste von Warnzeichen wächst

Unterstrichen wird das noch durch zwei andere aufsehenerregende Vorgänge in dieser Woche: Ebenfalls in Den Haag hat der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs einen Haftbefehl gegen Premier Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant beantragt. Zudem haben drei europäische Staaten – Norwegen, Spanien und Irland – die Anerkennung eines Staats Palästina angekündigt.

Die Liste von Warnzeichen für Israel lässt sich noch verlängern – vom Handelsembargo der Türkei über Spannung mit dem Friedenspartner Ägypten bis hin zu den Zerwürfnissen mit der US-Regierung.

Diese Auflistung zeigt, wie sehr sich Israels Lage in fast acht Monaten Krieg verändert hat. Nach dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 hatte der jüdische Staat fast weltweite Solidarität erfahren und breite Rückendeckung für einen als gerecht empfundenen Krieg. Diesen Beistand aber hat Israel verloren durch die Art der Kriegsführung, die in Gaza zu mehr als 35’000 Toten und zu einer humanitären Katastrophe geführt hat.

Netanyahu dürfte Rafah-Urteil nicht befolgen

Ziel des geballten internationalen Drucks ist es nun, Israel zur Umkehr zu bewegen. Doch die Reaktionen Netanyahus deuten eher auf das Gegenteil hin: Den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshof, Karim Khan, beschimpft er als einen «der grössten Antisemiten der Moderne». Der US-Regierung schmettert er entgegen, dass Israel auch allein weiterkämpfen werde, notfalls «mit Fingernägeln».

Am Freitagabend wies Israel zudem die Urteilsbegründung zurück. Israel habe keine Militäreinsätze in der Region Rafah ausgeführt, «die der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen Lebensbedingungen auferlegen könnten, die zu ihrer vollständigen oder teilweisen Zerstörung führen könnten», erklärten das israelische Aussenministerium und der Nationale Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi nach einer einberufenen Krisensitzung mit mehreren Ministern. Ob und wann sich Netanyahu selbst öffentlich äussert, ist unklar.

(FILES) In this file picture, Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu chairs a cabinet meeting at the Kirya, which houses the Israeli Ministry of Defence, in Tel Aviv on December 31, 2023. The International Criminal Court's prosecutor Karim Khan said on May 20, 2024, that he had applied for arrest warrants for alleged war crimes of top Israeli and Hamas leaders, including Netanyahu and Defence Minister Yoav Gallant. (Photo by ABIR SULTAN / POOL / AFP)

Bisher vermittelt Netanyahu seinen Anhängern, dass es für Israel wichtiger ist, von seinen Feinden gefürchtet, als vom Rest der Welt unterstützt zu werden. Richtig daran ist, dass Israel nach dem sicherheitspolitischen Offenbarungseid vom 7. Oktober und angesichts der Dauerbedrohung durch den Iran seine Abschreckungskraft wiedererlangen musste. Falsch ist erstens, dass dies alle Mittel rechtfertigt, und zweitens, dass Israel diese Abschreckungskraft ohne Unterstützung seiner Verbündeten aufrechterhalten kann.

Israels Premier schlägt damit einen hochgefährlichen Kurs für sein Land ein – und er tut dies in Wahrheit nicht, weil er sich zwischen Israels Sicherheit und Israels Image in der Welt entscheiden muss. Er steht vielmehr vor der Wahl zwischen Israels Verbündeten und einem Mann namens Itamar Ben-Gvir. Denn vom rechtsextremen Minister für Nationale Sicherheit hängt sein Machterhalt ab.

Nahost-Plan der USA unter Einbezug Saudiarabiens

Der Druck der Welt und die Drohungen Ben-Gvirs mit dem Rückzug aus der Regierung haben Netanyahu nun an einen Scheideweg geführt, an dem es nicht nur um seine Zukunft, sondern um die Zukunft des ganzen Landes geht.

Folgt er Ben-Gvir, der die Kämpfe noch verschärfen und den Küstenstreifen schnellstmöglich mit israelischen Siedlern bevölkern will, droht ein Krieg ohne Ende. Auf dem zweiten Pfad aber bietet sich ein Ausweg an, der nicht nur aus dem Treibsand von Gaza herausführt, sondern weitreichende Zukunftsperspektiven eröffnet.

Der fast fertige Plan dazu ist der israelischen Regierung in diesen Tagen von den Freunden aus Washington präsentiert worden. Der Weg führt von einem Ende der Kämpfe in Gaza hin zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudiarabien. Der Preis dafür wäre Israels Zustimmung zu einer Nachkriegsordnung für den verwüsteten Küstenstreifen und später zur Gründung eines Palästinenserstaats.

Netanyahu hat auch darauf bislang mit kompletter Ablehnung reagiert. Stattdessen verheisst er weiter den «totalen Sieg» in Gaza. Angesichts des Kriegsverlaufs aber ist das längst zur leeren Floskel verkommen. Auch in Israel mehren sich deshalb die Stimmen, die neu definieren wollen, was als Sieg gelten kann in dieser Lage.

Sie setzen auf eine Heimholung der Geiseln und einen diplomatischen Durchbruch mit Saudiarabien. Es ist das Gegenprogramm zu Netanyahus Kurs. Israel wäre nicht von Isolation bedroht, sondern hätte die Chance auf Integration in die Nahost-Region und eine breite Allianz gegen den Iran.