Schweiz ohne FrauenDemokratie-Broschüre sorgt erneut für Ärger
Ein vom Aussendepartement mitgetragenes Handbuch erwähnt die Frauen nur am Rand. Nach heftiger Kritik wurde ein Neukonzept versprochen. Doch dessen Umsetzung irritiert Politikerinnen wie Feministinnen.
Eine Broschüre über das politische System der Schweiz sorgte letzten September für Unmut: Frauen kommen im «Swiss Democracy Passport» nicht vor. Der über 100-jährige Kampf der Schweizerinnen für politische Teilhabe und Gleichberechtigung wird mit keinem Wort gewürdigt. Zwar erwähnt ein Absatz die späte Einführung des Frauenstimmrechts, aber für die Autoren – ausschliesslich Männer – sind die fehlenden politischen Rechte der Schweizerinnen bis 1971 lediglich ein «Dilemma der Demokratie».
Natürlich hagelte es Kritik. Die Berner Politologin Regula Stämpfli bezeichnete die Broschüre als «grössten Skandal im Jubiläumsjahr 2021». Herausgeber ist Bruno Kaufmann, Journalist bei Swissinfo, der internationalen Nachrichtenplattform der SRG. Er zeigte sich einsichtig und gelobte Besserung. Und zwar in Form einer Neuauflage der Broschüre, die gemäss Kaufmann Anfang Juli erscheint.
Kooperationspartnerin ohne Einwilligung
Doch nun gibt es erneut Ärger. Auf die Frage, welche Autorinnen beteiligt waren an der Neukonzeption, nennt Kaufmann die bekannte Feministin Zita Küng. Sie war in den Neunzigerjahren die erste Leiterin des Stadtzürcher Gleichstellungsbüros. Kaufmann schreibt: «Für die überarbeitete Version des Demokratiepasses haben wir mit dem Verein CH2021 und deren Präsidentin Zita Küng kooperiert.»
Küng jedoch bestreitet ausdrücklich, dass sie an der Neuauflage mitgearbeitet hat: «Als wir auf den ‹Swiss Democracy Passport› aufmerksam wurden, haben wir uns sofort an die Verantwortlichen gewandt und verlangt, dass dieses Dokument – ausgerechnet im Jubiläumsjahr 50 Jahre Frauenstimmrecht – sofort zurückgezogen werde. Das ist nicht passiert», sagt Küng. Sie sei weder eine Unterstützerin des Demokratiepasses, noch sei sie an der Neukonzipierung beteiligt gewesen. «Herr Kaufmann hat mir die zwei Abschnitte, welche die Frauen betreffen, zugeschickt. Diese waren immer noch fehlerhaft, was ich ihm am Telefon erläuterte.»
Das Gesamtkonzept kennt Küng nicht. «Auch wenn der neue Demokratiepass meine Kritikpunkte aufnimmt, betrachte ich mich nicht als an diesem Projekt beteiligt.» Wer hat denn nun effektiv die Neuauflage konzipiert? Kaufmann sagt: «Zu neu konzipierten Ausgaben sind wir im Gespräch mit verschiedenen Akteuren.» Namen nennt er keine mehr. Doch den Frauen sollten nun zwei Kapitel gewidmet werden.
Ein Pass für «Nichtalle»
Der 56-seitige Leitfaden mit einem Vorwort von Bundesrat Ignazio Cassis wurde mit der Unterstützung der Universität Bern und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) erstellt. Anfänglich wollte das Aussendepartement die Broschüre weltweit verteilen. Sie zeige, dass die Schweiz eine Referenz für die Demokratie in der Welt sei, lobte das EDA.
Doch mittlerweile scheint man sich von der Publikation zu distanzieren. Nicht einmal an der kommenden Lugano-Konferenz wird das Handbuch aufgelegt, wie das EDA mitteilt. Ob die Broschüre an anderen Anlässen verteilt werden soll, ist unklar.
Anfang Juni hat Mitte-Nationalrätin Marianne Binder einen Vorstoss eingereicht. Sie fordert Klarheit über den «Pass für Nichtalle», wie sie in der Interpellation schreibt.
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