Die Genossen und ihr Ex-KanzlerSPD-Chefin legt Schröder den Austritt nahe
Saskia Esken will den Putin-Freund nicht mehr als Altkanzler behandeln. Eine Stelle in Gerhard Schröders Gespräch mit der «New York Times» habe sie besonders empört.
Auf symbolische Weise hat Saskia Esken den Genossen Gerhard Schröder schon aus der Partei ausgeschlossen. Die Präsidentin der SPD plädiert mittlerweile dafür, Schröder nicht mehr als Altkanzler zu behandeln, also entsprechend dem wichtigsten politischen Amt, das er für die Sozialdemokraten sieben Jahre lang innehatte, sondern nur noch als Geschäftsmann. Schröder verdiene sein Geld mit der Arbeit für russische Staatsunternehmen. «Wir sollten damit aufhören, ihn als Elder Statesman wahrzunehmen», so Esken am Montag nach einer Sitzung des Parteipräsidiums.
Dem Spitzengremium gehört auch Thomas Kutschaty an, stellvertretender Parteichef und SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Der Wahlkampf dort wird ganz generell überschattet vom Krieg Russlands gegen die Ukraine. Speziell die SPD hat aber das Problem, dass ihr von der CDU und anderen eine zu grosse Nähe zu Russland in der Vergangenheit und partiell auch noch in der Gegenwart vorgeworfen wird.
Die Symbolfigur schlechthin dafür ist Gerhard Schröder. Und der hat pünktlich zum Schlussspurt vor der Wahl am 15. Mai mit der «New York Times» gesprochen, ohne dabei einen Millimeter von seiner Freundschaft zu Wladimir Putin abzurücken. «Ich mache jetzt nicht einen auf Mea culpa», zitierte die Zeitung den Altkanzler. «Das ist nicht mein Ding.»
Der Ansatz Kutschatys im Umgang mit Schröder unterscheidet sich etwas von dem Eskens. Der Spitzenkandidat ist darum bemüht, der Angelegenheit möglichst wenig Beachtung zu schenken und sie als durchsichtiges Manöver der in Nordrhein-Westfalen regierenden CDU hinzustellen. Dafür hat er sich einen einprägsamen Satz zurechtgelegt: «Die Sozialdemokratie hat kein Putin-Problem», sagt Kutschaty, «die CDU hat ein Wahlkampf-Problem.» Sie sei inhaltlich blank. Und wenn Hendrik Wüst «keine andere Platte auflegen» könne als die Russlandpolitik der SPD, so Kutschaty über seinen Konkurrenten, dann sei das für den Ministerpräsidenten des grössten Bundeslandes «eine erbärmliche Haltung».
Esken spricht gar von «parteischädigendem Verhalten»
Esken wie auch ihr Co-Präsident Lars Klingbeil in Berlin sind hingegen schon seit Wochen fortwährend mit Fragen nach Schröder konfrontiert, auch weil sie ihn unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine aufgefordert hatten, seine Mandate in Aufsichts- und Verwaltungsräten der russischen Energieindustrie aufzugeben. Bislang jedoch vergeblich. In Schröders Gespräch mit der «New York Times», so Esken, habe sie nun besonders die Passage empört, in der er Zweifel an der Verantwortung Wladimir Putins für die Massaker in Butscha äusserte. Eine solche Rechtfertigung für Kriegsverbrechen, so Esken, «ist absurd». Sie sehe darin «parteischädigendes Verhalten». Deshalb legt sie ihm an diesem Montag nahe, die Partei von sich aus zu verlassen.
Mehr als ein Dutzend regionaler SPD-Vereine haben bislang ein Parteiausschlussverfahren gegen Schröder beantragt. Bis vergangenen Sonntag gingen 14 Anträge ein, wie der zuständige SPD-Bezirk Hannover mitteilte, dem Schröder angehört. Entscheiden muss eine Schiedskommission. Das Problem: Ein solches Verfahren kann Monate oder sogar Jahre dauern. Esken macht deshalb kein Hehl aus ihrer Hoffnung, dass Schröder ähnlich reagieren möge, wie er es im Falle der Ehrenbürgerschaft der Stadt Hannover getan hat: Der Aberkennung kam Schröder zuvor, indem er die Ehrenbürgerwürde von sich aus zurückgab.
Dem Druck auf die SPD, ihre russlandpolitische Vergangenheit aufzuarbeiten, den der deutsche Kanzler Olaf Scholz zuletzt in einem «Spiegel»-Interview noch ziemlich brüsk zurückgewiesen hatte, begegnete Esken am Montag zumindest in der Tonlage ein wenig offener: Die Sozialdemokratie müsse sich «wie alle anderen Parteien, die Verantwortung in diesem Land gehabt haben», die Frage stellen, ob sie «möglicherweise zu spät» auf die Zeichen für und die Warnungen vor einem imperialistischen Grossmachtstreben Putins reagiert habe.
In der Kritik steht in dieser Frage auch der frühere Aussenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der bereits Fehler eingeräumt hat, aber auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig wegen ihres Einsatzes für die Pipeline Nord Stream 2 über eine ominöse Umweltstiftung. Da ist Esken aber eine gewisse Abstufung schon wichtig: «Ich weise scharf zurück, dass eine erfolgreiche Ministerpräsidentin und unser Bundespräsident in einem Zug genannt werden mit Herrn Schröder.»
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