Das müssen Eltern zur Schulschliessung wissen
Sämtliche Schulen im Land bleiben bis am 4. April zu, Hunderttausende Kinder müssen zu Hause bleiben. Antworten auf die drängendsten Fragen.
Jetzt ist es Tatsache: Der Bundesrat hat an seiner Pressekonferenz am Freitagnachmittag beschlossen, dass alle Schweizer Schulen bis am 4. April geschlossen bleiben. Das stellt die Eltern vor grosse Herausforderungen in der Betreuung.
Philipp Ramming, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie, sagt denn auch zu 20 Minuten: «Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen.» Unkonventionelle Lösungen seien jetzt durchaus erlaubt. «Jetzt geht es darum, das zu tun, was wirkt und zur Entlastung beiträgt», sagt Ramming. Er und Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich, erklären, wie das gelingt.
Kann mich der Arbeitgeber zum Arbeiten im Büro zwingen, wenn ich Kinder habe, die zu Hause betreut werden müssen? «Nein, das kann er nicht», stellt Rudolph klar. Solange Eltern die Betreuung nicht anders organisieren können, dürften sie zu Hause bleiben. «Es ist eine gesetzliche Pflicht, für die eigenen Kinder zu sorgen.» Ob in dieser Situation – wenn kein Homeoffice möglich ist – ein Recht auf Lohnfortzahlung besteht, ist indes rechtlich unklar, sofern die Kinder nicht krank sind und auf behördliche Anordnung nicht in die Schule können.
Muss mir der Arbeitgeber für die Kinderbetreuung frei geben oder Homeoffice gewähren? «Ja, die Kinderbetreuung ist eine gesetzliche Pflicht, und entsprechend darf ich der Arbeit fernbleiben, bis ich eine andere Betreuungslösung organisieren kann», sagt Rudolph. Als Faustregel gälten drei Tage. «Wenn es aber nicht gelingt, eine andere Lösung zu finden, kann es auch länger sein.» Auch hier ist unklar, ob der Arbeitgeber den Lohn zahlen muss, wenn die Eltern kein Homeoffice machen können oder dürfen. Der Arbeitgeber muss einem kein Homeoffice ermöglichen. «Tut er es aber nicht, muss er akzeptieren, dass ich zur Kinderbetreuung zu Hause bleibe und gar nicht arbeite.»
Bleiben die Kitas offen? Das ist im Moment noch unklar. Der Bundesrat schreibt in seiner Medienmitteilung: «Für die Grundschule können die Kantone allerdings Betreuungsangebote vorsehen, um möglichst zu verhindern, dass die Kinder von ihren Grosseltern betreut werden.» Bundesrat Alain Berset ergänzte an der Pressekonferenz: «Die Handhabung der Kindertagesstätten ist Sache der Kantone.»
Wie kann ich meine Kinder beschäftigen, wenn ich im Homeoffice arbeiten muss? Laut Philipp Ramming hängt das vom Alter der Kinder ab. «Hilfreich ist, wenn sie für ein Projekt begeistert werden können, sei dies ein Hörbuch, Zeichnen, Malen, gemeinsames Kochen oder ganz einfach endlich alle klassischen Märchen auf DVD anschauen. Im Netz finden sich sicher unzählige Ideen zum Thema.»
Ich kann zu Hause nicht gleichzeitig arbeiten und die Kinder betreuen. Muss mir der Arbeitgeber den Lohn einer externen Betreuungsperson, etwa eines Babysitters, zahlen? «Nein», sagt Rudolph. Der Chef müsse aber akzeptieren, dass Eltern nicht oder nicht mehr im vollen Umfang Homeoffice leisten könnten, wenn sie gleichzeitig betreuen müssten. «Man kann sich aber natürlich gemeinsam auf eine Babysitterlösung verständigen, die der Arbeitgeber bezahlt, damit ich zu Hause oder auch im Betrieb arbeiten kann.»
Was mache ich, wenn ich viele Videokonferenzen habe und die Kinder die ganze Zeit stören? Die einfachste Lösung ist laut Ramming, in einen anderen Raum zu gehen und die Kinder eine Weile sich selber zu überlassen. «In diesem Fall kann man aber auch rumbrüllen», sagt Ramming: «Manchmal muss man den Kindern klar sagen, was nicht geht. Die Teilnehmer der Videokonferenz werden dafür sicher Verständnis haben.» In solchen Momenten seien «pädagogisch sinnvolle» Konzepte oft nicht hilfreich.
Kann der Chef dieselbe Leistung von mir fordern, wenn ich zu Hause Homeoffice und Betreuung leisten muss? Es liege auf der Hand, dass sich die notwendige Betreuung auch auf den Umfang der noch möglichen Homeoffice-Arbeit auswirke, sagt Rudolph. Weil Eltern zur Betreuung berechtigt und verpflichtet seien, könne man ihnen keinen Vorwurf machen, wenn sie nicht gleichzeitig in vollem Umfang Homeoffice leisten könnten.
Darf ich die Kinder auch einmal vier Stunden am Stück vor den Fernseher setzen oder gamen lassen? Für Ramming ist das kein Problem. «Wenn man zwischendurch einen Sirup oder einen Tee mit ihnen trinkt und sie erzählen lässt, hilft das, zu spüren, wo die Kinder stehen.»
Ich arbeite in einem Beruf, bei dem Homeoffice unmöglich ist. Welche Möglichkeiten habe ich, um die Betreuung zu sichern? Auch hier gelte, dass Eltern zu Hause bleiben dürfen, um die Kinderbetreuung selber sicherzustellen, bis eine alternative Lösung organisiert sei, sagt Rudolph. «Angesichts der Bedrohungslage für ältere Menschen wäre das Aufbieten der Grosseltern nicht zumutbar und damit keine Alternative.» Homeoffice-Möglichkeit sei keine Voraussetzung, damit man das Recht in Anspruch nehmen könne, die Kinder selber zu betreuen, wenn es notwendig sei.
Wie sage ich den Kindern, dass die Schulen geschlossen sind und sie ihre Grosseltern nicht mehr sehen dürfen? Laut Ramming hilft hier eine möglichst einfache, ehrliche Kommunikation: «Man sagt den Kindern, dass man das tut, damit nicht alle einen Schnupfen kriegen oder eine Grippe bekommen.» Nicht förderlich sei Panikmache: «Damit niemand stirbt, ist sicherlich keine gute Erklärung», sagt Ramming. Was die Grosseltern angeht, sei eben etwas Kreativität gefragt: «Es gibt heute ja wunderbare Möglichkeiten mit Videoanrufen», sagt Ramming.
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