Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Burkina Faso nach dem Putsch
«Das Militär weckt die Hoffnung, dass sich endlich etwas ändert»

«Der starke Mann von Burkina»: Anhänger der neuen Machthaber mit einem Bild von Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba bei einer Demonstration in Ouagadougou.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Das Land, in dem Melchior Lengsfeld noch letzte Woche unterwegs war, hat dramatische Tage erlebt. In Burkina Faso putschte sich das Militär an die Macht. Der abgesetzte Präsident Roch Marc Christian Kaboré steht unter Hausarrest, Regierung und Parlament sind aufgelöst und die Verfassung ausser Kraft gesetzt.

«Der Putsch hat mich nicht wirklich überrascht», sagt Lengsfeld, Geschäftsführer von Helvetas. Die Schweizer Entwicklungsorganisation führt in Burkina Faso verschiedene Projekte für Wasserversorgung, Strassenbau und wirtschaftliche Entwicklung. Lengsfeld ist am vergangenen Samstag, kurz vor dem Putsch, zurück in die Schweiz gekehrt. Im Gespräch berichtet er, dass sich die politische Lage seit Monaten zugespitzt habe. Schon zehn Tage vor dem Machtwechsel habe es Berichte über einen Putschversuch gegeben.

Oberstleutnant Paul-Henri Sandaogo Damiba gilt seit letztem Montag als neuer starker Mann in dem westafrikanischen Land, wo die sich verschlechternde Sicherheitslage eines der zentralen Probleme ist. Seit sieben Jahren wird Burkina Faso von Anschlägen islamistischer Terroristen und anderer Gruppen erschüttert.

Der nun gelungene Militärcoup sei von der Bevölkerung gemäss vielen Beobachtenden erst einmal positiv aufgenommen worden, sagt Lengsfeld, der Burkina Faso schon neunmal besucht hat. «Die Machtübernahme durch das Militär weckt bei vielen Menschen die Hoffnung, dass sich nun endlich etwas ändert.»

1,5 Millionen Vertriebene und 3 Millionen Hungernde

Für die Bevölkerung, gerade auch in ländlichen Regionen, habe die Kaboré-Regierung in ihrer Amtszeit seit 2015 keine spürbaren Lösungen auf die drängenden Probleme des Landes geliefert, erklärt der Helvetas-Geschäftsführer. Burkina Faso, wo rund 21 Millionen Menschen leben, ist ein Staat der vielen, tiefen Krisen.

Ein bedeutender Teil Burkina Fasos ist laut Lengsfeld nicht unter Kontrolle der Regierung. Im Norden, Westen und Osten des Landes gibt es bewaffnete Gruppierungen mit teils islamistischen Motiven. Rund 1,5 Millionen Menschen sind aufgrund der schlechten Sicherheitslage intern vertrieben. Mit ähnlichen Problemen haben auch andere Sahelländer wie Mali oder Niger, Nachbarstaaten von Burkina Faso, zu kämpfen.

In Burkina Faso haben fast 3 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Über 2200 Schulen sind aus Sicherheitsgründen geschlossen, teilweise bereits seit Jahren. «Für die heranwachsende Generation ist das fatal», erklärt Lengsfeld, «denn mangels Bildung hat sie kaum Chancen auf eine sichere Erwerbsarbeit.» Diese Perspektivlosigkeit für junge Leute befördert den gefährlichen Nährboden für extremistische Anliegen.

«Ausserdem ist der soziale Zusammenhalt in den letzten Jahren stark erodiert», sagt Lengsfeld weiter. Das habe auch damit zu tun, dass zum Beispiel für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar sei, wohin die Einkünfte aus dem Gold- oder Baumwollsektor fliessen. «Das alles hat zu viel Frustration geführt.»

«Klar ist, dass sich die aktuelle Krise mit ihren vielfältigen Wurzeln nicht allein auf militärischem Weg lösen lässt.»

Melchior Lengsfeld, Geschäftsleiter Helvetas

Ein virulentes Problem war zuletzt die prekäre Sicherheitslage. Bei einem Angriff von Jihadisten im vergangenen November auf einen Gendarmerie-Stützpunkt in Inata im Westen von Burkina Faso starben über 50 Sicherheitskräfte und vier Zivilpersonen. «Dieser schockierende Zwischenfall hat die öffentliche Meinung geprägt und die Kritik innerhalb der Armee akzentuiert», erklärt Lengsfeld. Nach der Machtübernahme durch das Militär bestehe nun in der Bevölkerung die Hoffnung auf eine Verbesserung der Sicherheitslage.

Seit 2015 sollen etwa 2000 Menschen in Burkina Faso von Jihadisten getötet worden sein. Den schlecht ausgerüsteten burkinischen Streitkräften ist es nicht gelungen, das Blutvergiessen zu stoppen.

Der Putschistenführer Paul-Henri Sandaogo Damiba hat Medienberichten zufolge viel Erfahrung im Kampf gegen den Terrorismus, unter dem das Land sehr leidet. Der 41-jährige Damiba ist Absolvent einer Militärhochschule in Paris. Zuletzt war er für die Sicherheit in der Hauptstadt Ouagadougou zuständig.

Was die neuen Machthaber zu tun gedenken, ist noch unklar. Sie versprechen eine «Rückkehr zur verfassungsmässigen Ordnung» innerhalb einer «angemessenen Zeit». Wie sich die Lage in Burkina Faso in den kommenden Monaten entwickelt, wird auch vom Druck der internationalen Gemeinschaft abhängen.

EU droht den Putschisten mit Sanktionen

Gleich nach dem Putsch Anfang Woche forderten die USA und die EU die «sofortige Freilassung» von Präsident Kaboré. Die UNO verurteilte das Vorgehen des Militärs als «Staatsstreich», ähnlich äusserten sich die Afrikanische Union und die Gemeinschaft der Westafrikanischen Staaten. Am Mittwoch drohte die EU mit Sanktionen. Denkbar wäre ein Stopp der Entwicklungszusammenarbeit und der finanziellen Unterstützung. Zudem könnten EU-Einreiseverbote gegen die am Putsch beteiligten Personen erlassen werden.

Gemäss der Nachrichtenagentur AFP befindet sich Kaboré nach wie vor in der Gewalt des Militärs. Er sei aber nicht in einem Militärlager, sondern in einer Präsidentenvilla unter Hausarrest. Dort habe der entmachtete Staatschef Zugang zu seinem Handy, wobei seine Aktivitäten von Aufsehern überwacht würden.

«Wir sind besorgt, wie sich die Lage in Burkina Faso weiterentwickeln wird», sagt Melchior Lengsfeld. «Klar ist, dass sich die aktuelle Krise mit ihren vielfältigen Wurzeln nicht allein auf militärischem Weg lösen lässt.»