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Mamablog: Beknackte Familienvlogs
Das Leben der Anderen

Unbeschwerter Zeitvertreib: Ins Leben anderer zu schauen, macht Spass – und süchtig.
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Hand aufs Herz. Wir alle tun es. Nicht nur Teenager. Wir scrollen uns durch die Feeds von Instagram & Co. und bleiben hier und da hängen. Wie neulich auch ich. Ich hing bei «Plant based Gabriel» fest. Gezeigt wird eine nette amerikanische Farmer-Familie, bestehend aus Vater mit Cowboyhut, Mutter auf dem Bio-Trip und den Protagonisten Bridgette, einer süssen Zweijährigen mit Dauergrinsen, und Baby Breck, der noch nicht viel kann, aber trotzdem dauergefilmt wird.

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Die Videos möchten suggerieren, wie natürlich und frei diese wohl glücklichsten und gesündesten Kinder aufwachsen. Inmitten unendlicher Natur rennt das Mädchen barfuss durchs Gras, springt samt Kleidern in Pfützen, trägt Gänse umher, füttert die Ponys, Schweine, Kühe. Oft sieht man, wie sie riesige Portionen gesunde, vegane Mahlzeiten in sich rein stopft. Auf den ersten Blick – heile Welt pur!

Sehnsucht nach Sorglosigkeit

Dies war wohl mein erster, unbewusster Grund, weshalb ich hängen geblieben bin. Die Sehnsucht nach der Freiheit, nach Kindheit, nach sorgenloser, unbeschwerter Zeit. Doch bekam ich auch Stirnrunzeln. Und begann mich zu fragen, weshalb wohl die Zweijährige immer schrie und keinen Satz sprechen konnte. Ich sah, wie grob sie mit dem Baby-Bruder umging und beim Essen die Füsse auf den Tisch legte. Die knuddelige kleine Maus. Das grösste Kind von allen ist jedoch der Vater! In jedem 2. «Vlog» trägt er den armen Breck herum, stützt den Kopf des Neugeborenen nicht und setzt ihn auf Kühe und Ponys, weil er es lustig findet – während das arme Baby wohl nichts anderes als schlafen wollte. Ich begann zu stutzen und die Kommentare zu lesen.

Nebst ungesundem Narzissmus geht es natürlich wie immer und überall um viel Geld und Geltungssucht.

Die einen schrieben: typisch amerikanisch, wie «adorable», «cute» und «sweet» die Kinder seien, so «smart» und «happy to see», wie frei und natürlich sie aufwachsen würden. Es gab aber ebenso viele negative Kommentare, vor allem zum Verhalten des Vaters, welches immer bizarrere Formen annimmt.

Ganz schlimm und fragwürdig fand ich die Kommentare, die die Privatsphäre dieser Familie untergrub. So gibt es welche, die täglich der kleinen Bridgette «guten Morgen» und «gute Nacht» wünschen, «I love you» durchs Netz flüstern und fragen, wo die Familie lebt und dass sie sie gerne besuchen würden. Gruselig.

Narzissmus und Geltungssucht

Es gibt immer mehr dieser Familienvlogs und Elternblogs, die täglich ihren Familienalltag filmen und sich, ihre Kinder, ihr Daheim zur Schau stellen. Nebst ungesundem Narzissmus geht es natürlich wie immer und überall um viel Geld und Geltungssucht. Allgemein um eine Sucht, die Follower mit dreimal täglich neuen Videos zu unterhalten, wie im Falle von «Plant based Gabriel»!

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Aber bleiben wir bei der Ausgangsfrage: Weshalb tun wir uns das überhaupt an? Warum konsumieren wir diese Filme oder liken sie gar und kommentieren sie?

Ist es die Sehnsucht nach Etwas, das im eigenen Leben fehlt? Ist es purer Voyeurismus, das süchtig machende Gaffer-Syndrom, das in uns allen steckt? Schauen wir die Filme zu Vergleichszwecken? Aus Langeweile? Oder weil wir uns mit den fremden Familien identifizieren?

Erschreckende Normalität

Wie auch immer, eigentlich ist es einfach nur beknackt. Weder besonders ehrenhaft, noch geistreich. Und auch gefährlich. Insbesondere wegen des Vergleichens. Oder weil man Fehlendes kompensiert. Das Besuchen wildfremder Familien auf digitalen Kanälen ist befremdlich und auch alles andere als normal und natürlich. Nicht weiter verwunderlich wachsen Bridgette & Co. trotz vermeintlich heiler Welt ganz schön verkorkst auf – sehen sie Mom & Dad doch ständig mit Kamera und Handys vor Augen und werden zum Wohle der Community dauerbespasst und auf den Sockel gestellt. Trotzdem ist das Drehen und Schauen von Filmen in unserer digitalen Gesellschaft erschreckend normal geworden.

Nun, ich werde diese Familienvlogs-Welt tunlichst wieder verlassen und wenn ich mir ein Chill-Stündchen gönne, scrolle ich mich bewusst wieder durch Katzenvideos. Die sind nämlich gar nicht so blöd, wie man meint. Gemäss einer Studie sorgen diese für Tagesenergie und gute Laune. Na denn.