Beyond Meat im freien FallDas Ende eines Veggie-Burger-Hypes
Der Aktienkurs von Beyond Meat, Hersteller pflanzlicher Fleischalternativen, ist in zwei Jahren um mehr als 90 Prozent eingebrochen. Gerade verkündete der Konzern verheerende Zahlen. Was lief falsch?
Um zu verstehen, wie tief jemand gefallen ist, sollte man überprüfen, was für ein unfasslicher Höhenflug das zuvor gewesen ist. Also dann, Juli 2019: Beyond Meat, Hersteller pflanzlicher Alternativen von Fleischprodukten, wurde an der Börse mit 14,6 Milliarden Dollar bewertet. Der Konzern war damit ein sogenanntes unicorn, zu Deutsch Einhorn, ein Mega-Erfolg, und es gab kein Anzeichen, warum dieser Höhenflug jemals enden sollte.
Die auch in der Schweiz bei Grossverteilern erhältlichen Beyond-Meat-Produkte waren beliebt, gerade bei jungen Leuten, es schien aufgrund kluger Vermarktung ein gesamtgesellschaftliches Umdenken zu geben: weg von Tier-Verzehr, weg von qualvoller Massentierhaltung, weg vom CO2-Ausstoss durch Rinderhaltung – hin zu pflanzlichen Alternativen, die man nicht nur in vegetarischen Restaurants bekam oder im Supermarkt bei den veganen Produkten, sondern als Burger beim Grillfest, als Salami-Ersatz auf der Pizza oder als Hotdog im Stadion. Mehr noch: Beyond Meat arbeitete an Hühnchen- und Steak-Alternativen, also fleischlose Nuggets oder fleischlose Steak-Stückchen für Tacos oder Quesadillas.
Plant-based meat alternative (PBMA). Erzeugnisse, die Fleischvorbilder im Geschmack imitierten und eine gesündere sowie klimafreundlichere Alternative versprachen. Das war eine Geschichte, die viel zu gut klang, letztlich war sie das auch: In dieser Woche ist das Beyond-Meat-Papier vom Höchststand (234,90 Dollar) auf unter zwölf Dollar gefallen, das Unternehmen wird also mit gerade noch 752 Millionen Dollar bewertet. Dem Einhorn wurde das Horn abgetrennt.
Trotz massiver Preisnachlässe verkaufte Beyond Meat weniger
Das liegt freilich auch an den verheerenden Zahlen, die der Konzern diese Woche verkündete – noch schlimmere, als Experten prognostiziert hatten: Der Umsatz fiel im vergangenen Quartal um 22,5 Prozent auf 82,5 Millionen Dollar; erwartet worden waren 98 Millionen. Der Konzern hatte über massive Preisnachlässe versucht, die Nachfrage anzukurbeln, allerdings fiel auch der Mengenabsatz um 13 Prozent. Geschäftsführer Ethan Brown nannte die Zahlen «enttäuschend», was als Untertreibung gewertet werden darf – denn: Der Verlust lag bei 101,7 Millionen Dollar.
Nun könnte man sagen: Okay, da hat ein Konzern den schnellen Aufstieg nicht verkraftet; es hatte interne Probleme gegeben wie etwa, dass Finanzchef Doug Ramsey ins Gefängnis musste, weil er bei einem Streit in einer Parkgarage jemandem in die Nase gebissen hatte. Dazu waren ein paar doch arg optimistische Entscheidungen getroffen worden wie etwa den Versuch, sich bei der Burgerkette McDonald's auf der Speisekarte zu etablieren oder mit Getränkehersteller Pepsi fleischlose Snacks und Drinks herzustellen. McDonald's kündigte die Kooperation, der Beyond-Meat-Burger habe sich ganz einfach nicht verkauft – und das führt zum ersten Problem für Beyond Meat.
Es ist letztlich ein Nischenprodukt, das sich eben nicht gezielt an Veganer und Vegetarier richtet – die haben andere innovative, schmackhafte Produkte entwickelt, sondern eher an Leute, die sich nach Alternativen sehnten, ohne ihre Gewohnheiten (Protein auf den Nachos, ein Brötchen mit einer Art Wurst darauf im Stadion, Burger beim Grillen) aufzugeben. Da kam Beyond Meat, und die Leute wollten dieses Produkt unbedingt probieren. «Ich gehöre zu diesen Leuten», sagt Jim Chanos, einer der bekannteren Beyond-Meat-Short-Seller; also Leute, die auf sinkende Aktienkurse setzen: «Die Nachfrage war aufgrund der Neugier enorm.»
Neugier allein reicht jedoch nicht für nachhaltigen Erfolg, die Beyond-Meat-Produkte blieben wie die gesamte PBMA-Branche in der Nische. Der Markt wurde also nicht nur nicht grösser, weil viele Leute nach dem ersten Probieren, das zeigen Studien, auf andere Produkte umstiegen – entweder auf andere vegane Lebensmittel oder zurück zum Fleisch. Der US-Umsatz der PBMAs sank nach einem Jahr der Stagnation in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als zehn Prozent; der Fleischverzehr dagegen blieb einer Studie des Magazins Nature zufolge gleich.
Das zweite Problem nennen sie in den USA das Margarine-Phänomen: Die wurde in den 1970er Jahren als gesündere Alternative zu Butter angepriesen; dann stellte sich heraus, dass dem nicht so war. Ähnliches passiert nun bei PBMAs, über die es in einer Analyse der Lebensmittel-Watch-Group Food & Water Watch heisst: «Das sind nicht die pflanzlichen Burger von Muttern, gemacht aus Bohnen und anderen Pflanzen.» Eher: ein industriell verarbeitetes Produkt, das zu Hype-Zeiten mehr als 60 Prozent teurer war als die billigsten Fleisch-Varianten.
Beim Geld hört bei vielen Menschen der gute Vorsatz auf
Genau da liegt das dritte Problem: So gerne man gesund leben, etwas gegen den Klimawandel und Tierquälerei tun möchte – beim Geld hören die guten Vorsätze bei vielen Leuten auf. Die Inflation traf die Lebensmittelindustrie besonders, die Preise in diesem Bereich zogen in den USA um 13 Prozent an. «Wir spüren Druck, weil die Leute nach billigeren Protein-Produkten suchen; darunter auch tierische Produkte», sagt Beyond-Meat-Geschäftsführer Brown.
Vor einem Monat hatte das Unternehmen angekündigt, 200 Mitarbeiter entlassen zu wollen, 20 Prozent der Belegschaft. «Wir müssen auf die richtige Grösse schrumpfen, um die schwierige ökonomische Lage überall auf der Welt zu meistern», sagt Brown. Das bedeutet auch: keine Experimente mehr, sondern Konzentration auf jene Produkte, die sich rentieren – und Partnerschaften mit wenigen Fast-Food-Konzernen.
Das löst freilich noch nicht das grössere, das wahre Problem dieser Branche. Es gibt wunderbare fleischlose Protein-Lieferanten wie Erbsen, Bohnen, Linsen. Möglicherweise war der Hype um die Fleisch-Imitate ganz einfach nicht gerechtfertigt und die Produkte doch nicht so beliebt, wie es die Höhenflug-Geschichte andeutet – und die Branche ist in der Post-Hype-Realität angelangt.
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