Liste der unfreundlichen StaatenDas Ende der finanziellen Freundschaft zwischen Russland und der Schweiz
Russland hat die Schweiz auf die Liste der «unfreundlichen» Staaten gesetzt. Was das heisst, weiss noch keiner – aber der viel gepriesene Finanzdialog der Länder ist vorbei.
Russland hat die Schweiz auf eine Liste «unfreundlicher» Staaten gesetzt, nachdem sich der Bundesrat den EU-Sanktionen angeschlossen hatte. Was genau es mit dieser ominösen Liste auf sich hat, auf der unter anderem auch die USA, die EU-Länder, Südkorea, Taiwan und San Marino figurieren, konnte in der Bundesverwaltung in Bern niemand beantworten – weder das Aussendepartement (EDA) noch das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) oder das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Die Kommunikation mit Moskau sei momentan erschwert, der Internet-Zugang gesperrt, hiess es im Seco. «Die Schweiz hat dies aus den Medien vernommen», sagte EDA-Sprecher Andreas Heller auf die Frage, wie und wann die Schweiz von der Massnahme erfahren habe.
Allein die Bezeichnung lässt jedoch keinen Zweifel offen, dass es sich um einen unfreundlichen Akt handelt.
Der Gegensatz könnte nicht grösser sein: Keine drei Monate zuvor hatten sich Delegationen aus der Schweiz und Russland zum sogenannten Finanzdialog getroffen. Das Treffen fand am 19. November im Bernerhof statt, dem Sitz von Finanzminister Ueli Maurer. Die Stimmung war offenbar aufgeräumt – jedenfalls strahlen die Teilnehmer auf den Bildern, welche das SIF nach dem Treffen über Twitter verbreitete, um die Wette.
Bevor man sich zum Gruppenfoto aufstellte, hatte man laut dem SIF-Tweet den Zugang zu Versicherungsmärkten diskutiert, ebenso Green Finance und CO2-Emissionshandelssysteme. Zudem habe man sich über den Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie über die G-20 ausgetauscht.
Dank Russland zu den G-20-Treffen
Letzteres war bis vor kurzem ein starker Pfeiler der demonstrativ zur Schau getragenen russisch-schweizerischen Freundschaft. Denn auf den Finanzdialog mit Russland wird zurückgeführt, dass die Schweiz überhaupt an den Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer teilnehmen kann.
Zuvor hatte sich die Eidgenossenschaft jahrelang vergeblich um einen Platz auf dem internationalen Finanzparkett bemüht und war immer wieder abgeblitzt. Besonders bitter war die Abfuhr im Jahr 2011, als der damalige französische Präsident Nicolas Sarkozy nicht nur den Konkurrenten Singapur einlud, sondern auch am G-20-Gipfel die Schweiz als Steuerparadies anprangerte.
Im gleichen Jahr allerdings kam die Wende, als Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und ihr russischer Amtskollege Alexei Kudrin ein Memorandum über die regelmässige Zusammenarbeit im Finanzbereich unterzeichneten. Damit sei «der Grundstein für einen intensiven Dialog des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) mit dem russischen Finanzministerium gelegt worden», was der Schweiz ermögliche, «ihren Einfluss auf die Mitgestaltung des globalen Finanzsystems zu stärken», jubelte das EFD.
Tatsächlich liessen die Früchte dieses Finanzdialogs, wie man die bilateralen Treffen nannte, nicht lange auf sich warten: Zwei Jahre später hatte Russland den Vorsitz der G-20, und prompt durfte Widmer-Schlumpf erstmals an das Finanzministertreffen nach St. Petersburg reisen. Es sollte nicht das letzte Mal sein: Seitdem bekommt die Schweiz vom jeweiligen G-20-Präsidentschaftsland regelmässig eine Einladung, dieses Jahr zum siebten Mal in Folge.
Finanzminister Ueli Maurer und Nationalbankpräsident Thomas Jordan reisten zwar pandemiebedingt nicht nach Jakarta, nahmen aber per Videokonferenz am Finanzministertreffen vom 17. und 18. Februar teil. Diskutiert wurden die globale Konjunkturlage, die Nachhaltigkeit des Finanzsektors, die Finanzierung der Pandemiebekämpfung sowie die internationale Unternehmensbesteuerung. Am nächsten Treffen der G-20-Finanzminister vom kommenden April in Washington wollen Jordan und Maurer wieder persönlich teilnehmen.
Vorerst keine weiteren Treffen mehr geplant
Die Zukunft des viel gepriesenen Finanzdialogs zwischen Russland und der Schweiz ist derzeit ungewiss. Auf die Frage, ob er weitergeführt werde, antwortet SIF-Sprecher Mario Tuor: «Zurzeit steht kein Termin für einen nächsten Finanzdialog mit Russland an, deshalb stellt sich die Frage heute nicht.»
Ziel des Finanzdialogs ist gemäss dem Memorandum unter anderem, die «Meinungen betreffend Themen der Finanzpolitik auszutauschen» und die «Zusammenarbeit in Bereichen gegenseitigen Interesses weiterzuentwickeln».
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