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Analyse zum Rahmenabkommen
Das Brexit-Menü hat seinen Preis

Lernen von den Briten? Wirtschaftsminister Guy Parmelin (rechts) mit dem damaligen Handelsminister Liam Fox. 
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Müssen wir Boris Johnson dankbar sein? Der britische Premier elektrisiert nach seinem Deal mit der EU die Schweizer Debatte über das Rahmenabkommen. Die Briten haben Brüssel in ihrem neuen Handelsabkommen einen Streitschlichtungsmechanismus abgetrotzt, der ohne die «fremden Richter» in Luxemburg auskommt. Der Druck auf den Bundesrat wächst, das Rahmenabkommen mit Brüssel neu zu verhandeln und vor allem den Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Streitschlichter in letzter Instanz zu streichen.

Doch wie stehen die Chancen, und was kann die Schweiz von den Briten lernen? Tatsächlich ist der Deal, den Boris Johnson jetzt als Sieg über Brüssel feiert, vergleichsweise dünn ausgefallen. Grossbritannien ist ab dem 1. Januar ganz aus dem Binnenmarkt draussen, anders als die Schweiz mit ihrem privilegierten Zugang. Die Schweizer sind ab dem neuen Jahr deutlich näher an der EU dran als die Briten. Das war in den langwierigen Verhandlungen zwischen Brüssel und London nach dem Brexit-Votum 2016 nicht immer so geplant. Jetzt ist der Vertragstext mit 1250 Seiten zwar recht umfangreich. Es ist aber unter dem Strich ein klassisches Handelsabkommen.

Verzicht auf den hürdenfreien Zugang zum Binnenmarkt

Und hier hat die EU schon immer auf den EuGH als Schiedsrichter verzichtet. Anders als gegenüber der Schweiz, die in ihren bilateralen Marktzugangsabkommen EU-Recht übernommen hat. Brüssel dürfte auch in Zukunft auf den Europäischen Gerichtshof als letzte Instanz pochen. Es geht um die einheitliche Auslegung der Regeln im Binnenmarkt. Die Briten zahlen für ihren Verzicht auf den hürdenfreien Zugang zum Binnenmarkt einen Preis.

So deckt der Deal den gewichtigen Finanz- und Dienstleistungssektor nicht ab, in dem Grossbritannien immerhin 80 Prozent seiner Wirtschaftsleistung erzielt. Wie dünn der Deal für die Briten auch beim Personen- und Warenverkehr ist, wird sich ab dem 1. Januar zeigen, wenn das Handelsabkommen in Kraft tritt, die Staus in Dover und Calais zur neuen Realität werden. Zwar wird es keine Zölle und Quoten geben. Britische Exporteure werden für den zollfreien Import in die EU aber aufwendig nachweisen müssen, dass ihre Produkte tatsächlich überwiegend im eigenen Land hergestellt wurden. Und sie müssen belegen, dass ihre Ware zum Beispiel die Regeln der EU zur Lebensmittelsicherheit oder die EU-Produktestandards erfüllt.

Verzicht auf die Personenfreizügigkeit

Schweizer Exporteure haben hier dank etwa des bilateralen Abkommens zu landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder des Abkommens über technische Handelshemmnisse weitgehend freie Fahrt. Hoch ist der Preis für die Briten auch für den Verzicht auf die Personenfreizügigkeit. Nicht nur werden es britische Unternehmen schwieriger haben, Fachkräfte auf dem europäischen Festland zu rekrutieren. Britische Banken, Versicherungen, Wirtschaftsprüfer oder andere Dienstleister können ihre Fachleute nicht mehr unbürokratisch für kürzere oder längere Einsätze im EU-Binnenmarkt entsenden. Und britische Arbeitnehmer oder Selbstständige werden sich anders als Schweizer nicht mehr frei für einen Job in der EU niederlassen oder eine Firma gründen können. Ihre berufliche Qualifikation wird auch nicht mehr automatisch anerkannt.

Will London den Deal nachbessern?

Klar, der Bundesrat könnte trotzdem versuchen, in Brüssel auf dem Brexit-Menü zu bestehen. Die Chancen, den EuGH wegzuverhandeln, sind allerdings nicht wirklich besser geworden. Ein Handelsabkommen und die bilateralen Binnenmarktabkommen der Schweiz sind zwei unterschiedliche Modelle. Die Schweiz müsste es schon wie die Briten machen und in der Hoffnung auf ein Handelsabkommen die bilateralen Abkommen aufkündigen. Der Preis ist jetzt bekannt.

Die Briten verlieren übrigens auch den Zugang zum Schengener Informationssystem, der Polizeidatenbank. Sehr gut möglich, dass London den Deal bald nachbessern will. Es wird darum gehen, hier bei einer EU-Agentur wieder dabei zu sein und dort sich an einem europäischen Programm beteiligen zu können. Die Briten werden dann von den Schweizern lernen können, wie ein Drittstaat von aussen mühsam versucht, den Zugang zum grössten Binnenmarkt der Welt zu verbessern.