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Der britische Premier in der Kritik
Dann sagte Boris Johnson: «Arum arum aaaaaaaaag»

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In der britischen Regierungspartei mehren sich rapide die Zweifel an Premierminister Boris Johnson. Immer mehr Tories werfen dem Regierungschef vor, es an Kompetenz und einem klaren Kurs fehlen zu lassen und die Partei zunehmend in Schwierigkeiten zu bringen. Einige konservative Abgeordnete denken offenbar bereits an eine Ablösung Johnsons – obwohl sich die verschiedenen Fraktionen der Partei wohl nur schwer auf einen Nachfolger würden einigen können.

Tatsächlich beginnen sich inzwischen aber auch erstmals Tories, die Johnson bisher unterstützten, von ihm loszusagen. In der Partei herrsche «echte Frustration», zitierte die «Financial Times» ein Mitglied dieser Gruppe. Geradezu Bestürzung löste bei vielen seiner Parteigänger eine Rede aus, die Johnson zu Beginn der Woche vor dem britischen Industriellenverband hielt und in der er sich verlor in weitläufigen Abschweifungen und zeitweise sogar nicht mehr weiterwusste. Eine halbe Minute lang suchte er in seinen Papieren nach dem rechten Fortgang der Rede, wobei er mehrfach stammelte: «Vergeben Sie mir.».

Er vergleicht sich mit Moses

Danach löste er bei Grossbritanniens Wirtschaftsbossen ungläubiges Gelächter aus, als er ihnen in munterer Improvisation von seinem Vortagesausflug in einen nach einem Cartoon-Schweinchen benannten Vergnügungspark, den Peppa-Pig-Park, berichtete. Im Blick auf Covid erklärte er, «Mutter Natur» sei es nicht recht, wenn man von zu Hause aus arbeite statt im Büro. Und in Sachen Klimawandel verglich er sich selbst, als den Überbringer von Geboten, mit Moses.

Zu völliger Konsternation seiner Zuhörer ahmte er einen Benziner-Motor nach mit einem Geräusch, das im offiziellen Protokoll der Regierungszentrale verzeichnet wurde als «arum arum aaaaaaaaag». So viel Verblüffung löste die Rede aus, dass ein Reporter den Premier im Anschluss fragte, ob denn «alles in Ordnung» sei mit ihm. Ein Sprecher des Verbandes britischer Kleinbetriebe sprach die Befürchtung aus, dass der Regierungschef genau wie in seiner Rhetorik so auch in seiner Politik die Orientierung verloren habe.

Peinliche Kehrtwende

Andere Industrielle warfen Johnson vor, dass es ihm an jeglicher Strategie mangle und er nur noch «mit Wortgetöse und heisser Luft» operiere. In der Tat hat sich Johnson in den letzten Wochen und Tagen bereits mehrfach heftiger Kritik – auch in den eigenen Reihen – ausgesetzt gesehen. Zuerst hatte er mit seinem Versuch, Korruptionsvorwürfe gegen einen Ex-Minister im Parlament zu unterdrücken und das System nach eigenem Gutdünken zu ändern, auch viele Tory-Hinterbänkler gegen sich aufgebracht. In dieser Frage war er zu einer äusserst peinlichen Kehrtwende gezwungen.

Zorn speziell unter seinen Abgeordneten aus Mittel- und Nordengland löste aus, dass er vorige Woche mehrere feierlich versprochene Schnellbahnverbindungen für diese Regionen wieder strich. Bewohnerinnen und Bewohner der traditionellen Labour-Gebiete, die bei der Unterhauswahl von 2019 nicht zuletzt wegen Brexit erstmals Tories gewählt hatten, zeigten sich vielerorts empört über diesen «Verrat».

Eine Reform für Reiche

Grimmige Kommentare gab es in denselben Gebieten, als in den letzten Tagen deutlich wurde, dass die Regierung einen gross angekündigten Plan zur Reform der Alters- und Sozialfürsorge in England in letzter Minute zu revidieren suchte. Der neuen Version des Plans zufolge sollen wohlhabendere Briten nun mehr Vorteil aus dieser Reform ziehen können als ihre – oft im Norden lebenden – ärmeren Mitbürger. Es wird erwartet, dass das Oberhaus eine Rückkehr zum ursprünglichen Plan verlangen wird.

Ganz besondere Unruhe im konservativen Lager hat ausserdem die Tatsache ausgelöst, dass derzeit mehr Bootsflüchtlinge denn je über den Ärmelkanal setzen, um in England Asyl zu beantragen. Dieses Jahr allein waren es schon annähernd 26’000 (im gesamten Vorjahr knapp 8500 und im Jahr davor weniger als 2000). Dabei hatten Innenministerin Priti Patel und Johnson doch versprochen, dass sie mit dem Brexit die Hoheit über ihre Grenzen zurückgewinnen würden.