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Trauer um Schweizer Aktionskünstler
Esskünstler Daniel Spoerri ist tot

ABD0015_20241107 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0524 VOM 6.11.2024 - Der seit 2007 in Wien lebende Schweizer Objektkünstler Daniel Spoerri verstarb am Mittwochnachmittag im Alter von 94 Jahren. Im Bild: Daniel Spoerri am Montag, 2. Dezember 2019, im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
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Daniel Spoerri ist bekannt geworden mit Bildern aus Essensresten mit dreckigem Besteck und Geschirr. Im Alter von 94 Jahren ist er in Wien gestorben, bestätigte der Geschäftsführer des Ausstellungshauses Spoerri in Österreich der Deutschen Presse Agentur.

Daniel Spoerri wurde 1930 in Galati, Rumänien, als Daniel Feinstein geboren. Sein Vater wurde 1941 von rumänischen Faschisten ermordet. Ein Jahr später floh seine Mutter Lydia Spoerri, eine Schweizerin, mit ihren sechs Kindern nach Zürich.

Hier und in Paris liess sich Daniel Spoerri zum Balletttänzer und Pantomimen ausbilden und war dann einige Jahre Solist am Stadttheater Bern. Unter anderem choreographierte er ein Farbenballett, zu dem Jean Tinguely, mit dem er seit 1950 befreundet war, ein bewegliches Bühnenbild entwarf.

Verschrieben hat er sich aber auch der Literatur, konkret: der visuellen Poesie und der verlegerischen Arbeit. Ende der 1950er Jahre gründete Spoerri in Paris die Edition MAT (Multiplication d’art transformable) und vertrieb zum Einheitspreis von 200 Francs vervielfältigte Werke von Man Ray oder Marcel Duchamp.

A picture shows the installation "Kitchenware" (1964) by Daniel Spoerri during the exhibition "New Realism", 26 March 2007 at Le Grand Palais museum in Paris. "New Realism" is part of an overall drive to renew artistic forms and themes in a booming consumer and industrial society, in reaction to the immediate post-war period : Neo-Dada, Pop Art, Fluxus, Zero Group, New Realists. The exhibition of about 200 works shows the vitality of "New Realism" throught the reconstruction or display of some installations and a thematic and historical circuit which explores the special features of the movement and the highlights of their shared adventure. It focuses on a brief decade, from 1958 to 1965/69.  AFP PHOTO JOEL SAGET (Photo by JOEL SAGET / AFP)

Schliesslich betätigte sich Spoerri auch als Lehrer und Museumsgründer. Ende der 70er Jahre sammelte er in Köln zusammen mit Studierenden der Fachhochschule für Kunst und Design Objekte der Stadtgeschichte und realisierte damit das «Musée sentimental».

Esslokal in Hadersdorf

Zwanzig Jahre später, 1997, schenkte er sein Archiv der Schweizerischen Landesbibliothek (heute Nationalbibliothek) und legte in Seggiano in der Toskana den Grundstein für seinen eigenen Skulpturengarten, «Il Giardino di Daniel Spoerri». Platz finden hier eigene Werke neben solchen seiner Freundinnen und Freunde: Eva Aeppli ist ebenso präsent wie Bernhard Luginbühl, Meret Oppenheim, Dieter Roth und Jean Tinguely.

2009 hat Spoerri im niederösterreichischen Hadersdorf am Kamp zwei Liegenschaften in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, die unter dem Namen «Eat Art & Ab Art» als Esslokal, Ereignis- und Ausstellungsort genutzt werden. Seit 2007 wohnte der Künstler in Wien.

A woman looks at a work created in 1972 by Swiss artist of Romanian origin Daniel Spoerri on September 16, 2010 at the Kunstmuseum in Stuttgart, southern Germany. From September 18, 2010 to January 9, 2011, the museum presents the show "Eat Art. From Food in the Arts".     AFP PHOTO    BERND WEISSBROD    GERMANY OUT (Photo by BERND WEISSBROD / DPA / AFP)

Die Regierungschefin des Bundeslandes Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, würdigt ihn nun als «grossen Ausnahmekünstler» und «Meister der Bildenden Kunst». Zuerst hatte die Zeitung «Kurier» über seinen Tod berichtet.

Spoerri selber dagegen meinte 2019 nach dem Erscheinen eines Dokumentarfilms über ihn: «Ich glaube, dass gar nichts Bedeutendes aus mir geworden ist.». Er mache nur, «was ich meine machen zu müssen von Tag zu Tag.»

Kunst aus Essensresten

Spoerri gilt als Begründer der «Eat Art». Er war begeisterter Koch und bat Gäste erstmals schon 1959 am Ende einer Mahlzeit, dreckiges Besteck und Teller mit Essensresten stehenzulassen. Er verewigte das zufällige Arrangement mit Klebstoff und hängte es an die Wand. So entstanden zahlreiche Werke, Fallenbilder genannt, die damals für Furore sorgten. «Das Frühstück des Kichka I» wurde im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt.

1968 eröffnete er in Düsseldorf ein Restaurant und betrieb dort auch die Eat-Art-Gallery, wo er Bankette und Happenings organisierte. Auch dort entstanden nach serviertem Essen eine Reihe seiner Kunstwerke.

Mit dem Künstlerpaar Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle und anderen unterzeichnete er 1960 das «Manifest des Neuen Realismus». Es waren vor allem Objektkünstler, die triviale Gegenstände verwendeten und damit Begriffe wie «Kunst»und «Kunstwerk» infrage stellen wollten. Die Gruppe sah sich als Gegenbewegung zur in Paris dominierenden informellen Malerei und der in den USA aufkommenden Pop-Art.

TO GO WITH AFP STORY BY CLAIRE ROSENBERG : "FOOD ART: ARCHAEOLOGISTS DIG UP 30-YEAR LAST SUPPER- A man examines on June 2, 2010 at Jouy-en-Josas, the remains of an open-air banquet shoveled underground almost 30 years ago by Switzerland's artist Daniel Spoerri as an art performance. Supervised by the creme-de-la-creme of French archaeology, a bunch of dusty diggers are unearthing the leftovers from a work now known as "The lunch under the grass" -- a meal for 80 in sumptous gardens south of Paris where the star course was offal.   AFP PHOTO / FRED DUFOUR (Photo by FRED DUFOUR / AFP)

In der Schweiz war Spoerri letztmals 2020 in der Ausstellung «Amuse-Bouche. Der Geschmack der Kunst» im Tinguely Museum in Basel prominent vertreten. Teil der Ausstellung war der Kurzfilm «Ressurrection» (1968). Der Film führt rückwärts von der menschlichen Kacke über den blutigen Teller, die Bratpfanne, die Metzgerei, das Schlachthaus bis hin zur Kuh auf der Weide und zum finalen Kuhfladen. Mit diesem Experiment ist es dem Künstler bereits lange vor den gesellschaftlichen Diskussionen um Veganismus grandios gelungen, Fleischeslust zu verfremden.

Seine Eigenschaft als begnadeter Koch hat ihn dazu angeleitet, Geschmacksempfindungen umzuleiten. Seine «Eat Art» mündete denn auch beispielsweise in das «Menu Travesti: Kartoffelbrei-Eis mit Fleischpralinen», das er 1970 in der Zeitschrift «Twen» vorstellte. Damit wollte er die Leserinnen und Leser ermuntern, noch ganz andere Entdeckungen zu machen. Essen war für Spoerri Genuss und sozialer Akt. Daraus fertigte er eben auch Kunstwerke, die sich an die Wand hängen lassen. Damit reiht er sich prominent ein in den Kanon der Alltagskunst.

Am Mittwoch ist er in Wien gestorben, wie Wolfgang Sabath, Geschäftsführer des Ausstellungshauses Spoerri in Hadersdorf am Kamp in Österreich, sagte.

SDA/step