Trauer um Schweizer AktionskünstlerEsskünstler Daniel Spoerri ist tot
Der Schweizer Künstler ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Als Gründer der Bewegung «Eat Art» erlangte er weltweit Bekanntheit.
Daniel Spoerri ist bekannt geworden mit Bildern aus Essensresten mit dreckigem Besteck und Geschirr. Im Alter von 94 Jahren ist er in Wien gestorben, bestätigte der Geschäftsführer des Ausstellungshauses Spoerri in Österreich der Deutschen Presse Agentur.
Daniel Spoerri wurde 1930 in Galati, Rumänien, als Daniel Feinstein geboren. Sein Vater wurde 1941 von rumänischen Faschisten ermordet. Ein Jahr später floh seine Mutter Lydia Spoerri, eine Schweizerin, mit ihren sechs Kindern nach Zürich.
Hier und in Paris liess sich Daniel Spoerri zum Balletttänzer und Pantomimen ausbilden und war dann einige Jahre Solist am Stadttheater Bern. Unter anderem choreographierte er ein Farbenballett, zu dem Jean Tinguely, mit dem er seit 1950 befreundet war, ein bewegliches Bühnenbild entwarf.
Verschrieben hat er sich aber auch der Literatur, konkret: der visuellen Poesie und der verlegerischen Arbeit. Ende der 1950er Jahre gründete Spoerri in Paris die Edition MAT (Multiplication d’art transformable) und vertrieb zum Einheitspreis von 200 Francs vervielfältigte Werke von Man Ray oder Marcel Duchamp.
Schliesslich betätigte sich Spoerri auch als Lehrer und Museumsgründer. Ende der 70er Jahre sammelte er in Köln zusammen mit Studierenden der Fachhochschule für Kunst und Design Objekte der Stadtgeschichte und realisierte damit das «Musée sentimental».
Esslokal in Hadersdorf
Zwanzig Jahre später, 1997, schenkte er sein Archiv der Schweizerischen Landesbibliothek (heute Nationalbibliothek) und legte in Seggiano in der Toskana den Grundstein für seinen eigenen Skulpturengarten, «Il Giardino di Daniel Spoerri». Platz finden hier eigene Werke neben solchen seiner Freundinnen und Freunde: Eva Aeppli ist ebenso präsent wie Bernhard Luginbühl, Meret Oppenheim, Dieter Roth und Jean Tinguely.
2009 hat Spoerri im niederösterreichischen Hadersdorf am Kamp zwei Liegenschaften in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht, die unter dem Namen «Eat Art & Ab Art» als Esslokal, Ereignis- und Ausstellungsort genutzt werden. Seit 2007 wohnte der Künstler in Wien.
Die Regierungschefin des Bundeslandes Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, würdigt ihn nun als «grossen Ausnahmekünstler» und «Meister der Bildenden Kunst». Zuerst hatte die Zeitung «Kurier» über seinen Tod berichtet.
Spoerri selber dagegen meinte 2019 nach dem Erscheinen eines Dokumentarfilms über ihn: «Ich glaube, dass gar nichts Bedeutendes aus mir geworden ist.». Er mache nur, «was ich meine machen zu müssen von Tag zu Tag.»
Kunst aus Essensresten
Spoerri gilt als Begründer der «Eat Art». Er war begeisterter Koch und bat Gäste erstmals schon 1959 am Ende einer Mahlzeit, dreckiges Besteck und Teller mit Essensresten stehenzulassen. Er verewigte das zufällige Arrangement mit Klebstoff und hängte es an die Wand. So entstanden zahlreiche Werke, Fallenbilder genannt, die damals für Furore sorgten. «Das Frühstück des Kichka I» wurde im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt.
1968 eröffnete er in Düsseldorf ein Restaurant und betrieb dort auch die Eat-Art-Gallery, wo er Bankette und Happenings organisierte. Auch dort entstanden nach serviertem Essen eine Reihe seiner Kunstwerke.
Mit dem Künstlerpaar Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle und anderen unterzeichnete er 1960 das «Manifest des Neuen Realismus». Es waren vor allem Objektkünstler, die triviale Gegenstände verwendeten und damit Begriffe wie «Kunst»und «Kunstwerk» infrage stellen wollten. Die Gruppe sah sich als Gegenbewegung zur in Paris dominierenden informellen Malerei und der in den USA aufkommenden Pop-Art.
In der Schweiz war Spoerri letztmals 2020 in der Ausstellung «Amuse-Bouche. Der Geschmack der Kunst» im Tinguely Museum in Basel prominent vertreten. Teil der Ausstellung war der Kurzfilm «Ressurrection» (1968). Der Film führt rückwärts von der menschlichen Kacke über den blutigen Teller, die Bratpfanne, die Metzgerei, das Schlachthaus bis hin zur Kuh auf der Weide und zum finalen Kuhfladen. Mit diesem Experiment ist es dem Künstler bereits lange vor den gesellschaftlichen Diskussionen um Veganismus grandios gelungen, Fleischeslust zu verfremden.
Seine Eigenschaft als begnadeter Koch hat ihn dazu angeleitet, Geschmacksempfindungen umzuleiten. Seine «Eat Art» mündete denn auch beispielsweise in das «Menu Travesti: Kartoffelbrei-Eis mit Fleischpralinen», das er 1970 in der Zeitschrift «Twen» vorstellte. Damit wollte er die Leserinnen und Leser ermuntern, noch ganz andere Entdeckungen zu machen. Essen war für Spoerri Genuss und sozialer Akt. Daraus fertigte er eben auch Kunstwerke, die sich an die Wand hängen lassen. Damit reiht er sich prominent ein in den Kanon der Alltagskunst.
Am Mittwoch ist er in Wien gestorben, wie Wolfgang Sabath, Geschäftsführer des Ausstellungshauses Spoerri in Hadersdorf am Kamp in Österreich, sagte.
SDA/step
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