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Interview mit Olaf Breuning
Der erfolgreichste Schweizer Künstler auf Instagram

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Ugo Rondinone, 970 Follower, meldet sich mit einem auf eine gerahmte Holzplatte geschriebenen Spruch: «Turn back time lets start this day again». Vorher gibt er Einblick in eine Werkserie, in der er verschlossene Fenster und Türen zeigt, die dank einer monotonen grauen Bemalung wie abstrakte Kunstwerke aussehen.
Olaf Breuning, 68’500 * Follower, postet Esswaren, denen er eine Gesichtsform gibt. Zuletzt eine Erdbeere mit Augen und Mund. Vor zwei Wochen den Stilansatz einer Aubergine mit Augen und Mund, dem er den Namen Mr. Yoda gibt. Einmal hat er einem dickflüssigen, giftgrünen Joghurt im Becher ein Gesicht eingezeichnet und es Mr. Hulk betitelt oder aus einem Kartoffelchip kurzerhand einen Mr. Robert de Niro gefertigt. Seine Gesichter, die auch auf dem Rücken seiner Katze entstehen können, haben Kultstatus. Breuning, der in Schaffhausen aufgewachsen ist und in New York wohnt, hat mit Abstand am meisten Follower unter den Schweizer Kunstschaffenden, die einen Instagram-Account betreiben. Mit dem aus Nahrungsmitteln geformten Gesicht hat der Multimedia-Künstler für Instagram eine eigene Kunstform entwickelt. Klicken Sie sich durch die Bildstrecke und entdecken Sie weitere Instagram-Accounts von Schweizer Kunstschaffenden. * Die Follower-Zahlen wurden bei allen Accounts am 22.6.2020 erhoben.
Claudia Comte, 15’300 Follower, zeigt ein Foto von einer Kunstausstellung in Berlin, wo die Galerie König 28 Kunstschaffenden ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Mit dabei ist auch Claudia Comte. Dass die Art Basel abgesagt wurde, bedauert die Künstlerin sehr und postet voller Nostalgie ein Bild von ihrer Installation NOWIWON, die 2017 beim Eingang zur Art Basel Furore machte. Dann gibt es auf ihrem Feed Bilder vom Garten neben ihrem Atelier und von einer Ausstellung in der Fondation CAB in Brüssel, wo sie eine Zickzackkurve an die Wand gemalt hat.
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Olaf Breuning, Sie posten auf Instagram fast ausschliesslich Gesichter, die Sie oft aus Bestandteilen von Nahrungsmitteln gestalten. Wie kamen Sie zu diesem Spleen?

Instagram wird seit seinen Anfängen im Jahre 2010 gerne von Künstlern genutzt. Für mich war klar, dass ich auf diesem Social-Media-Kanal nicht meine privaten Fotografien von meinen Ferien oder von meiner Tochter verbreiten wollte. Ich suchte nach einer spezifischen Kunstform für Instagram und fand sie in diesen Gesichtern, die sehr einfach herzustellen sind. Inzwischen ist mir aber bewusst geworden, dass dadurch auch viel von meiner Privatsphäre bekannt geworden ist.

Man merkt jedenfalls, welche Rohstoffe Sie für Ihre Mahlzeiten verwenden. Nicht selten gibt es auch Bilder von fertig angerichteten Tellern.

Das nehme ich in Kauf. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich damit zu viel Privates verrate.

Oft haben die Gesichter, die meist einen Namen haben, einen ironischen oder satirischen Zug.

Das ist charakteristisch für meine Arbeiten generell. Die Gesichter waren ursprünglich relativ unschuldig, ich wollte nicht zu viel hineinbuttern, sondern frisch von der Leber weg etwas gestalten. Mit den Titeln habe ich dann oft ein bisschen Gegenstrom gegeben, damit ein Bild eine komische Note bekam. Diese leichte und lustige Instagram-Arbeit ist für mich immer wichtiger geworden. Im letzten Jahr habe ich auch ein Buch darüber publiziert, das 500 dieser Gesichter versammelt. Jedes Buch hat übrigens ein anderes Cover.

«Ich will nicht von Instagram konditioniert werden», sagt Olaf Breuning, der in New York lebt und arbeitet.

Wann haben Sie mit Instagram begonnen?

Das war um die Weihnachtszeit 2013. Also vor über sechs Jahren.

Haben Sie nie gelöscht?

Nein, alle Bilder sind noch auf Instagram abrufbar. Ein riesiges Archiv von Gesichtern aus vorgefundenem Material, oft beim Kochen oder Essen entstanden. Es gibt aber auch Gesichter, die nicht aus Esswaren bestehen.

Was tun Sie mit den Fotos auf Instagram?

Ich poste sie einfach. Ich setze keine Hashtags. Ich mache auch nicht überall «Likes», schreibe keine «Responses» und poste auch keine «Stories». Das ist mir zuwider, zumal Instagram daraus einen Algorithmus entwickelt, der mich wiederum erfolgreicher machen würde. Ich möchte aber nicht von diesem Medium konditioniert werden.

Trotzdem haben Sie relativ viele Follower.

Ja, das finde ich auch sehr erfreulich. Ich poste einfach meine Bilder, und den Leuten gefällt es. Was will man mehr?

Ist Instagram für Sie auch ein Informationsmedium?

Ja, selbstverständlich. Ich schaue jeden Morgen nach, was Künstler und Galerien posten. Ich halte mich damit auf dem Laufenden, was im Kunstbereich gerade aktuell ist. Was die Leute kümmert. In den letzten Wochen war das zum Beispiel «Black Lives Matter». Vorher Corona. Immer wieder Trump. Für diese Informationen ist Instagram ein super Medium.

Ergaben sich über Instagram für Sie neue Kontakte?

Ich bin ein Zwerg im Vergleich zu Kim Kardashian. Ich spiele mit 60’000 Follower in einer Liga, die für die Werbewirtschaft uninteressant ist. Nur einmal habe ich dank Instagram mit Gucci und einmal mit Apple zusammenarbeiten können, das waren aber nur kleine Aufträge. Instagram ist inzwischen so riesig, das sind Millionen und Abermillionen User tagtäglich dabei, Bilder zu posten, zu liken, da bin ich ein ganz kleiner Fisch. Und trotzdem mögen die Leute meine Gesichter. Sie mögen sie so sehr, dass ich manchmal fast ein bisschen frustriert bin, wenn meine Skulpturen nicht auf ebenso viel Gegenliebe stossen.