Petition gegen kostenpflichtige Tests«Dagegen muss ich einfach etwas machen»
Maja Balmer hat 260’000 Unterschriften für kostenlose Corona-Tests gesammelt. Für sie ist das eine Frage der Gerechtigkeit.
«Das ist ethisch nicht vertretbar», sagt Maja Balmer. Sie ist Primarlehrerin in der Stadt Bern, gehört keiner Partei an, hat sich politisch auch sonst nie engagiert, aber ihr Gefühl für Gerechtigkeit war verletzt, als der Bundesrat vor zwei Wochen die Zertifikatspflicht ausweitete und trotzdem daran festhielt, dass die Corona-Tests für die Zertifikate ab 1. Oktober nicht mehr gratis angeboten werden.
Für Balmer war klar: «Dagegen muss ich einfach etwas machen.» Sie besprach sich mit ihrem Mann, informierte sich und setzte auf der Kampagnen-Website Campax.org eine Petition auf: «Geehrter Bundesrat, ich fordere Sie auf, Tests weiterhin gratis anzubieten, genauso gratis, wie die Impfungen sind. Auf diese Weise wäre die neue Zertifikatspflicht annehmbar und eine Zweiklassengesellschaft vermeidbar.»
«Das war wie bei einem Shitstorm»
Den Link schickte Balmer an alle ihre Bekannten weiter. «Ich dachte, ich schaue mal, was passiert.» Die Dynamik, die sich dann entwickelte, hat Balmer überrascht. «Das war wie bei einem Shitstorm, fast beängstigend», sagt sie. «Ich spürte da unmittelbar die unglaubliche Macht der Digitalisierung.»Am Mittwoch hat sie die Petition im Bundeshaus abgegeben.
Innerhalb von zwei Wochen waren über 260’000 Unterschriften zusammengekommen. Andreas Freimüller, Geschäftsführer von Campax, hat einen solchen Erfolg erst selten erlebt: «In der Schweiz hat noch keine Handvoll Petitionen so viele Unterzeichnende erreicht, es sind also wirklich viele.»
Auf Campax laufen zurzeit mehrere weitere Petitionen zum Thema – allerdings fordern sie im Gegenteil, dass die Tests kostenpflichtig werden. Das Argument: «Keine Gratistests für das Covid-Zertifikat auf Kosten des solidarischen Volkes!» Das Anliegen dümpelt bei ein paar Hundert Unterschriften. Im Bundeshaus haben sich alle Parteien ausser der FDP unterdessen für Gratistests ausgesprochen. Der Bundesrat will am Freitag entscheiden.
Maja Balmer unterrichtet auf der Basisstufe, wo Vier- bis Achtjährige gemeinsam unterrichtet werden. «Das entspricht mir sehr – hier kann ich mit den Kindern die gegenseitige Rücksichtnahme üben.» Dazu gehört für Balmer, dass sie fähig sind, die Perspektive zu wechseln, sich in andere hineinzuversetzen.
Balmer selbst ist geimpft, schon seit Juni. «Aber man vergisst so oft, dass auch beim Impfen die Dinge komplexer sind, als man meint», sagt Balmer. Zum Beispiel? Längst nicht alle Ungeimpften seien Fundamentalverweigerer, manche hätten Angst vor einer neuen Art Impfstoff, andere fühlten sich überfordert. «Dass Leute, die sich nicht impfen lassen, egoistisch sind, ist für mich eine allzu einfache Erklärung.»
Ist gratis Testen asozial?
Aber ist es denn nicht asozial, wenn alle für die Tests einer Minderheit bezahlen, die sich nicht impfen lassen? «Ach, wissen Sie», sagt Balmer, «es gibt so vieles, wofür die Allgemeinheit bezahlt.» Nicht für alles sähen alle den Sinn ein. Sie nennt Militärausgaben oder Gesundheitskosten für eigentlich vermeidbare Krankheiten. «Leute mit kleinen Einkommen würden mit den kostenpflichtigen Tests noch mehr aus der Gesellschaft ausgeschlossen», sagt Balmer.
Es war ebenfalls eine Geldfrage, bei der sich Maja Balmers Gerechtigkeitssinn geschärft hat. An einem früheren Arbeitsplatz stellte sie fest, dass die Frauen konsequent weniger Gehalt erhielten als die männlichen Kollegen. «Ich habe zusammen mit anderen die Zahlen gesammelt und unseren Chefs vorgelegt.» Balmer erreichte damit, dass Erfahrung und Einsatz den Lohn bestimmen und nicht das Geschlecht.
Auch damals begann es mit dem Satz: «Dagegen muss ich einfach etwas machen.»
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