Sturz von Nicole Schmidhofer«Da kommen ganz, ganz üble Bilder hoch»
Die Österreicherin rast in der Abfahrt von Val-d’Isère ins Netz – und verschwindet einfach. Gerade bei Schweizer Skifans weckt die Szene schlimmste Erinnerungen.
Sie ringt um Worte. Starrt wohl so fassungslos auf das Loch im Sicherheitsnetz wie jeder gewöhnliche TV-Zuschauer. Doch dann spricht Tina Weirather aus, was genauso viele denken dürften. «Da kommen ganz, ganz üble Bilder hoch», sagt die Liechtensteinerin, Expertin für Frauen-Skirennen beim Schweizer Fernsehen. Und fügt leise an: «Silvano Beltrametti.»
Es ist ein Schockmoment der seltenen Sorte, der sich in der Abfahrt der Frauen in Val-d’Isère ereignet. Mit Startnummer 11 ist Nicole Schmidhofer unterwegs, die Österreicherin und Mitfavoritin in diesem ersten Speedrennen der Saison. Im Ziel wartet Corinne Suter auf die Zeiten, die Schweizerin liegt in Führung. Schmidhofer kommt zu einer Schlüsselstelle, einem Sprung mit anschliessender Rechtskurve und Kompression, in der sich Licht und Schatten abwechseln. Auch Suter bekundete dort Probleme.
Schmidhofer wird die Stelle zum Verhängnis: Die Kräfte drücken sie geradeaus ins Fangnetz, mit rund 100 km/h – die Distanz ist so klein, dass keine Chance auf eine Reaktion besteht. Und dann das Unfassbare: Das Netz, das so gebaut ist, dass alles an ihm abprallen sollte, reisst, und Schmidhofer verschwindet sofort dahinter. Betreuer eilen herbei, bergen Ski und Stöcke und schicken sich an, das Loch zu flicken, damit das Rennen danach weitergehen kann. Von der Fahrerin? Ist nichts zu sehen. Kein Zeichen. Kein Lebenszeichen.
Gerade die Schweizer Skifans wissen, wie schlimm das enden kann. Fast genau 19 Jahre ist es her, dass Silvano Beltrametti auf der gleichen Piste, der Oreiller-Killy in Val-d’Isère, verunglückte. Nach einem Fahrfehler schlitterte der Bündner ins Fangnetz und zerriss es mit seinen Ski und der Wucht, und alles, was noch zu sehen war, war dieses klaffende Loch. «Um Gottes willen», stammelte Bernhard Russi, damals der TV-Experte. Beltrametti prallte gegen Bäume und Steine und ist seit jenem 8. Dezember 2001 querschnittgelähmt.
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Bei Schmidhofer erfolgt nach bangen Minuten leichte Entwarnung. Sie sei bei Bewusstsein und habe sich zwar wohl im Gesicht verletzt – aber vergleichsweise glimpflich, meldet der ORF. 20 Minuten dauert es, ehe sie im Schlitten abtransportiert werden kann, und im Spital klagt sie über starke Kniebeschwerden. Am Freitagabend vermeldete der österreichische Verband dann, dass der Verdacht auf einen Kreuzbandriss und weitere Verletzungen im linken Knie besteht. Schmidhofers Sturz wurde wohl von einem zweiten Netz gebremst, nachdem das erste gerissen war. Vor allem aber hatte sie das Glück im Unglück, das Beltrametti nicht hatte: dass hinter den Fangnetzen keine Bäume standen. Oder Steine lagen. Dieses Wort, «Glück», benutzte auch der österreichische Frauen-Cheftrainer Christian Mitter.
Der Sieg von Corinne Suter gerät angesichts dieses und weiterer heftiger Stürze an derselben Stelle zur Nebensache. Auch Federica Brignone, Alice McKennis Duran oder die Schweizerin Joana Hählen stürzen heftig ins Netz, die Abfahrt verzögert sich wegen der vielen Unterbrüche lange. Am Ende ist Suter elf Hundertstel schneller als die Italienerin Sofia Goggia und 20 vor der überraschenden Amerikanerin Breezy Johnson.
Suters Sieg überschattet
Damit setzt sich der Höhenflug der inzwischen 26-jährigen Schwyzerin fort. In der vergangenen Saison war sie zur «Speed-Queen» avanciert, in der wegen Corona verkürzten Saison fuhrt sie in Abfahrt und Super-G nicht weniger als acht Podestplätze heraus und gewann in beiden Disziplinen den Weltcup. «Nach der langen Pause war ich nervös und aufgeregt», erzählt sie SRF. Dass ihr nun ein solcher Start gelungen sei, «ist schon sehr cool», sagt Suter. Sie habe bewusst versucht, auf der Strecke das Limit zu suchen. In der zweiten Abfahrt von Val-d’Isère am Samstag will sie nachdoppeln. Am Sonntag steht zudem ein Super-G an.
Von den restlichen Schweizerinnen fährt nur noch Lara Gut-Behrami als Achte in die Top Ten. Michelle Gisin muss sich mit Rang 19 zufriedengeben. Jedoch hat sie den Nachteil, dass sie am Start unmittelbar auf Nicole Schmidhofer folgt und sich deshalb mehr als 20 Minuten im Starthaus gedulden muss. Weltcuppunkte gewinnen ausserdem Priska Nufer (13.), Jasmine Flury (20.) und Juliana Suter (29.).
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