Coup von Dominic StrickerEin Berner verzaubert die New Yorker Tennisfans
Der 21-Jährige ringt die Weltnummer 7 Stefanos Tsitsipas in einem vierstündigen Krimi 7:5, 6:7, 6:7, 7:6, 6:3 nieder. Nun ist er auf der grossen Bühne angekommen.
Als Dominic Stricker gegen Stefanos Tsitsipas nach vier Stunden in der glühenden Hitze des Grandstand zum Sieg aufschlug, versuchte er, seine Nervosität zu verscheuchen. In der Startrunde gegen Alexei Popyrin (ATP 41) hatte er bei ähnlicher Gelegenheit drei Doppelfehler serviert, was sich letztlich aber nicht rächte, da er schon 5:0 geführt hatte und zweimal zum Sieg aufschlagen konnte.
Gegen Tsitsipas geriet er zuerst 0:30 zurück, doch dann riss er den grössten Sieg seiner Karriere mit mutigem Spiel an sich. Ein Servicewinner, ein Ass und schliesslich ein Vorhandwinner auf die Linie, und vorbei war es! Mit 7:5, 6:7 (2:7), 6:7 (5:7), 7:6 (8:6), 6:3 setzte er sich in diesem Tenniskrimi durch. Und in Runde 3 ist er nun nicht einmal grosser Aussenseiter: Er trifft auf den Franzosen Benjamin Bonzi (108). Der 27-Jährige ist mit einer Wildcard dabei und hat den Amerikaner Chris Eubanks (30) geschlagen, den Überraschungsmann von Wimbledon.
Hatte das New Yorker Publikum anfangs noch mehrheitlich Tsitsipas unterstützt, den zweifachen Grand-Slam-Finalisten, schlug es sich an diesem Nachmittag zusehends auf die Seite von Stricker. Mit seinen Variationen, seinem Händchen und den vielen Netzangriffen, kurz, mit seinem spielerischen Flair, verzückte er die Tennisfans. Und der 21-Jährige, sonst eher ein zurückhaltender Mensch, genoss die Stimmung sichtlich und forderte die Zuschauer nach schönen Punkten je länger, desto öfter zu Applaus auf. So, wie das die Stars eben machen.
Bencic fieberte mit
Belinda Bencic, die zuvor ihre Zweitrundenpartie gegen die britische Qualifikantin Yuriko Lily Miyazaki (WTA 198) mit 6:3, 6:3 souverän gewonnen hatte, sass auf der Tribüne und fieberte mit Stricker mit. «Ich lernte ihn Anfang Jahr am United-Cup besser kennen», sagte Bencic. Er ist richtig lustig. Und auf dem Platz bleibt er cool. Er wird nicht nervös bei engen Matches.» Das zeigte Stricker auch gegen Tsitsipas, der im vierten Satz bei 5:3 zum Sieg aufschlug, sich aber vom Schweizer prompt breaken liess. Danach liess der Aussenseiter das Momentum nicht mehr entwischen.
Stricker spielte von Beginn couragiert auf, denn er wusste: Würde er sich von Tsitsipas in die Defensive drängen, die Ballwechsel von dessen Vorhand bestimmen lassen, hätte er keine Chance. Er suchte immer wieder die Duelle mit seiner Linkshänder-Vorhand gegen die einhändige Rückhand von Tsitsipas – so hielt er diesen meist in Schach. Doch dank seines starken Aufschlags gewann der Grieche nach verlorenem Startsatz die nächsten beiden Durchgänge im Tiebreak. So richtig wohl fühlte er sich indes nie, hatte man den Eindruck.
Die Mätzchen von Tsitsipas
Im Finish versuchte Tsitsipas mit Mätzchen, den Rhythmus von Stricker zu brechen. Er nahm sich zwischen den Ballwechseln und auch während der Seitenwechsel aufreizend viel Zeit. Einmal wurde er dafür sogar verwarnt. Doch Stricker ging damit souverän um. Erstaunlich war auch, wie er, der vor dieser Saison noch nie ein Fünfsatz-Match gespielt hatte, gegen das Ende hin immer noch recht frisch wirkte. Das dürfte seinen Coach Dieter Kindlmann, ein Fitnessfanatiker, sehr gefreut haben.
Stricker schlug zwar weniger Asse (11 zu 22), erzielte aber insgesamt mehr direkte Punkte (79:71). Er stiess 52 Mal ans Netz vor und punktete dabei 42 Mal – eine exzellente Quote. Sein fünfter Sieg in Serie inklusive Qualifikation ist für ihn viel mehr wert als die Punkte, die er dafür bekommt. Es darf ihm die Gewissheit geben, dass er grosse Gegner schlagen kann, wenn er sein Spiel durchzieht. Mit 21 ist er, der schon früh als grosses Talent galt, nun so richtig auf der grossen Tennisbühne angekommen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.