Tennishoffnung Dominic Stricker«Ein gutes Händchen, ein gutes Auge – er hat Ähnlichkeiten mit Roger»
Der 20-jährige Berner will mit einem neuen Team durchstarten: Ex-Federer-Coach Peter Lundgren soll als Berater wirken, Haupttrainer wird der Deutsche Dieter Kindlmann.
Peter Lundgren schmunzelt. Er habe Schmetterlinge im Bauch gehabt, als er mit Dominic Stricker erstmals von Bern nach Biel gefahren sei zum Leistungszentrum von Swiss Tennis. «Keine Ahnung, wieso.» Vielleicht, weil beim 58-Jährigen Erinnerungen hochkamen an frühere Zeiten. «Ich war einer der Ersten hier im neuen Leistungszentrum im August 1997. Sven Groeneveld war hier mit mir, Roger kam Ende September, er war noch an Turnieren unterwegs, Peter Carter kam im Oktober.» Es war der Beginn der goldenen Schweizer Ära im Männertennis.
Nun ist Lundgren zurückgekehrt nach Biel, vorerst auf Probe für drei Wochen als Berater oder Coach des 20-jährigen Stricker. Erstmals seit 2011, als er noch Stan Wawrinka trainierte. Der Schwede hat viel erlebt im Tennis und ist viel herumgereist, die letzten drei Jahre verbrachte er aber in der Heimat. Bis ihn der Anruf von Alessandro Greco ereilte, dem Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis, ob er sich eine Zusammenarbeit mit Stricker vorstellen könne. Nachdem er sich einige Matchs von Stricker am Video angeschaut hatte, sagte er zu für eine Testphase mit den Challenger-Turnieren in Lugano und Biel.
In Lugano stiess Stricker bis in den Halbfinal vor, in Biel steigt er heute Dienstag als Topgesetzter ins Turnier. Lundgren zeigt sich angetan von der nächsten grossen Schweizer Tennishoffnung: «Ich mag ihn als Menschen, und ich mag die Art und Weise, wie er spielt. Er hat einige Ähnlichkeiten mit dem jungen Roger. Er hat ein gutes Auge, liest das Spiel gut. Er ist Linkshänder, Roger Rechtshänder. Deshalb ist es ein bisschen schwierig, die beiden zu vergleichen. Aber beide haben ein gutes Händchen. Und Dominic hat auch das Spiel, um auf Rasen zu reüssieren. Er hat einen starken Aufschlag, gute Volleys, den Slice.»
«Ich glaube, für Dominic sind in diesem Jahr die Top 50 möglich.»
Zuletzt blieb der Berner indes auf seinem Weg nach oben stecken. Derzeit die Nummer 118, würde er es gerne vor Roland Garros noch in die Top 100 schaffen, um sein Grand-Slam-Debüt bei den Grossen geben zu können. «Ich glaube, für ihn sind in diesem Jahr die Top 50 möglich», sagt Lundgren und schaut hinüber zu Stricker, der herzhaft lacht. Dabei hatte der Berner zuvor gerade noch gesagt, er mache sich keinen Druck.
Stricker wurde in den vergangenen drei Jahren von Swiss-Tennis-Coach Sven Swinnen betreut. Damit ist nun Schluss. Swinnen, der frühere WG-Partner von Federer, wendet sich wieder den Jüngeren zu wie dem Genfer Kilian Feldbausch (17), Stricker musste sich ein eigenes Team zusammenstellen. Das hat er nun gefunden: Der Deutsche Dieter Kindlmann, der ihn kürzlich im italienischen Rovereto auf Probe betreute, als er das Challenger-Turnier gewann, wird sein Hauptcoach. Lundgren soll eine Art Berater werden, mit seinem geschulten Auge das Spiel Strickers weiterentwickeln. Von Swiss Tennis unterstützen ihn die Konditionstrainer Beni Linder und Marc Frey. Gesucht wird noch ein Physio, der zeitweise mitreist.
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Haben sich die Strickers mit dem 40-jährigen Kindlmann, der auch schon als Nationaltrainer in Biel wirkte, auf eine Festanstellung geeinigt, stehen die Gespräche mit Lundgren noch an. Dieser sagt: «Ich bin ready. Ich sagte zuerst, ich könnte mir vorstellen, zwölf Wochen im Jahr zu machen. Aber ich mag Dominic sehr, sodass ich es auf 14 Wochen ausdehnen könnte.» Dass Lundgren Hauptcoach wird und immer mitreisen würde, stand nicht zur Debatte. Zumal er nicht mehr so gut zu Fuss ist.
Kindlmann hinterliess bisher als Coach vor allem auf der Frauentour Spuren, betreute da Topspielerinnen wie Madison Keys, Angelique Kerber oder Aryna Sabalenka. Was die Professionalität betreffe, sehe er keinen Unterschied zwischen der Frauen- und der Männertour, so Kindlmann. «Aber die Dichte ist bei den Jungs viel höher. Von den Top 300 können alle exzellent Tennis spielen.» Der Deutsche unterstreicht: «Ich bin 24/7 für Dominic da. Er ist gut ausgebildet und bereit für den nächsten Schritt. Und Peter hat ein immenses Wissen und kann mir Inputs geben.»
«Das Niveau in Schweden ist wirklich schwach. Das ist kein Vergleich zur Schweiz. Swiss Tennis ist sehr gut aufgestellt.»
Nachdem sich Wawrinka und Lundgren im September 2011 getrennt hatten, war der Schwede fast zehn Jahre als Coach in den USA. Auch von Schweden aus habe er das Tennis zuletzt noch intensiv verfolgt, sagt Lundgren. «Ich reiste im Land herum, gab Lektionen und half anderen Coachs. Denn das Niveau in Schweden ist wirklich schwach. Ich war auch in Stockholm, wo die besten Junioren trainieren. Das ist kein Vergleich zur Schweiz. Auch die Anlage hier in Biel ist fantastisch. Swiss Tennis ist sehr gut aufgestellt.»
Lundgren blickt gerne zurück auf seine Zeit in der Schweiz. Er führte Federer ab 1998 auf die Profitour und 2003 zum ersten Wimbledon-Titel. Die Situation, in der sich Swiss Tennis zurzeit befinde, sei vergleichbar mit jener, als er in Biel antrat: «Wir brauchten einige Jahre, bis wir die Jungs nach vorne brachten. In die Top 200, 150, Top 100. Roger kam hoch, Kratochvil, Chiudinelli, Lammer, Heuberger.» Später kam Wawrinka dazu.
Er sei nicht überrascht, dass der Romand nochmals ein Comeback geschafft habe, sagt Lundgren. «Inzwischen bewegt er sich auch wieder besser und spielt aggressiver. In den ersten Monaten nach seiner Rückkehr wirkte er noch allzu zögerlich.»
Von Federers Rücktritt im vergangenen September erfuhr Lundgren von einem Journalisten, als er gerade am Spazieren war. «Es war ein trauriger Tag. Aber Roger hatte einen guten Abgang am Laver-Cup. Sein Kopf wollte noch, aber sein Körper sagte Nein. Es ist besser, aufzuhören, wenn du noch top bist. Und nicht, wenn du nur noch verlierst. Du willst als Champ in Erinnerung bleiben. Das ist Roger.»
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