Italiens neue Strategie gegen CoronaConte schaltet die Ampel ein
Rot, Orange, Gelb: Italien wird in drei Risikozonen eingeteilt, nach 21 Kriterien – am Ende entscheidet der Gesundheitsminister. Wälzt der Premier die Verantwortung ab?
Drei Risikozonen, drei Farben: Rot, Orange, Gelb. Italiens Regierung schaltet in ihrem Kampf gegen die Pandemie ein Ampelsystem ein und unterteilt die Regionen des Landes je nach Lage in unterschiedliche Gefahrenzonen mit assortierten Massnahmen. So steht es im neuen Dekret des Ministerpräsidenten, das Giuseppe Conte nach tage- und nächtelangem Ringen mit den Gouverneuren der Regionen, seinen besorgten Beratern im wissenschaftlichen Ausschuss und den drängenden Partnern in der Regierungskoalition unterzeichnet hat.
Herausgekommen ist ein Kompromiss – und ein fundamentaler Strategiewechsel im Vergleich zum Frühling: Damals, für die Bewältigung der ersten Welle, hatte man sich auf Massnahmen verlassen, die einheitlich für das ganze Land galten. Nun, da Italien mit Wucht von der zweiten Welle getroffen wird, mit zuletzt rund 30’000 Neuinfektionen am Tag, will man auch differenziert eingreifen. Region für Region. Gültig sind die Massnahmen vom 6. November bis 3. Dezember.
«Rot» ist ein Fast-Total-Lockdown
«Rot» steht für maximal kritische Lage. In Regionen, die «rot» eingefärbt werden, müssen neben Restaurants und Bars auch alle nicht unabdingbaren Geschäfte schliessen. Ohne triftigen Grund darf man in diesen Regionen weder ein- noch ausreisen, selbst seine Wohngemeinde darf man da nicht verlassen. Sport? Nur rund ums Haus. Ausser den Kleinsten in den Kitas und den Grundschulen wechseln alle zum Fernunterricht. «Rot» ist ein Fast-Total-Lockdown. Vier Gegenden gehören in diese Kategorie: Lombardei, Piemont, Kalabrien und Aostatal.
«Orange» steht für hohes Risiko. Auch in diesen Regionen schliessen die Gaststätten den ganzen Tag, die Coiffeursalons bleiben offen. Der Onlineunterricht ist dort nicht nur in der Oberstufe obligatorisch, sondern auch in Klassen unmittelbar darunter. Auch Bewohner «oranger» Regionen sollen nur reisen, wenn nötig. Betroffen sind Sizilien und Apulien.
Der Rest ist «gelb», durchschnittlich dramatisch. Es gelten da die nationalen Verfügungen: Ausgangssperre ab 22 Uhr; der öffentliche Verkehr fährt sein Platzangebot herunter auf 50 Prozent; Oberstufenschüler bleiben zu Hause; auch Museen und Ausstellungen schliessen, nachdem schon Kinos, Theater und Konzertsäle dichtmachen mussten. In «gelben» Regionen dürfen Wirtshäuser weiterhin von 5 bis 18 Uhr offen sein.
Für die farbliche Einteilung zieht der Gesundheitsminister, der in letzter Instanz und möglichst im Einklang mit dem Gouverneur der jeweiligen Region entscheidet, 21 Kriterien heran. Dazu gehören unter anderem: die Zahl der Neuinfektionen pro 100’000 Einwohner, die Positivitätsrate bei den Tests, die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Virus, die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen und jene der nicht so gravierenden Fälle in allen anderen Abteilungen der Spitäler. Unklar war zunächst, wie die verschiedenen Parameter für den Schlussentscheid gewichtet werden. Und das ist nur einer von etlichen Kritikpunkten.
Contes Popularität sinkt ein bisschen
In der Lombardei, die von allen Regionen erneut am stärksten getroffen wird, hält Gouverneur Attilio Fontana der Zentralregierung vor, sie basiere ihre Berechnungen auf alten Zahlen: In einigen Tagen werde man die Wirkung des vorletzten Dekrets messen können. Conte musste sich auch vorwerfen lassen, er wälze die Verantwortung ab auf Minister und Regionspräsidenten, um nicht allen Unmut der Bevölkerung auf sich selbst zu ziehen. Zuletzt waren seine Beliebtheitswerte zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie um einige Prozentpunkte gesunken: Der Premier ist zwar noch immer der populärste Politiker im Land. Doch unterdessen hat ihn der Gouverneur des Veneto, Luca Zaia von der rechten Lega, fast eingeholt.
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