Umstrittenes GeschäftsmodellCO₂-Schleudern gelangen in die Schweiz – dank Tesla
Tesla-Käufer tragen dazu bei, dass besonders klimaschädliche Autos sanktionsfrei in die Schweiz kommen. 2020 und 2021 waren es mehr als 12’000 Verbrenner. Dahinter stecken finanzielle Interessen.
Elektroautos von Tesla gehören zu den gefragtesten Personenwagen in der Schweiz. Regelmässig schaffen es Modelle des US-Autoproduzenten auf die vordersten Plätze in der Neuwagen-Hitparade. Null CO₂-Emissionen im Betrieb: Dieses Argument sticht bei der Kundschaft offenbar. Die Firma von Elon Musk gibt denn auch ein Versprechen ab: «Wir beschleunigen die weltweite Umstellung auf nachhaltige Energie.»
Nur: Kaufen Schweizerinnen und Schweizer einen Tesla, tragen sie dazu bei, dass die Autos anderer Hersteller umso mehr CO₂ sanktionsfrei ausstossen dürfen. 2020 und 2021 wurden mit jedem Elektrofahrzeug der US-Marke zwei bis drei Verbrenner sanktionsfrei in der Schweiz zugelassen, wie das Bundesamt für Energie (BFE) bestätigt. Wie das? Tesla importiert seine Wagen selber. 2020 rechnete der Autohersteller im Rahmen der CO₂-Emissionsvorschriften 2291 eigene E-Fahrzeuge ab, dazu kamen aber noch 7096 Wagen mit Verbrennungsmotor, dies bei insgesamt gut 237’000 verkauften Neuwagen landesweit. 2021 hat Tesla 5172 Verbrenner abgerechnet, dazu 1991 eigene E-Autos.
Ganz legales Nebengeschäft
Tesla betreibt offenkundig ein Nebengeschäft – und das ganz legal. Neuwagen dürfen in der Schweiz im Durchschnitt 118 Gramm CO₂ pro Kilometer ausstossen. Für jeden Importeur legt der Bund jedoch eine individuelle Vorgabe fest, die unter anderem abhängig vom Gewicht der eingeführten Fahrzeuge ist. Liegt die Flotte darüber, werden Strafzahlungen fällig. Da Tesla selber nur Elektroautos baut, liegen die CO₂-Emissionen seiner Flotte bei null – und damit weit unter der Zielvorgabe, die der Bund Tesla gibt; 2020 etwa waren es 102 Gramm CO₂ pro Kilometer.
Tesla selber nimmt auf Anfrage keine Stellung. Wahrscheinlich ist laut Branchenkennern, dass der Autobauer die CO₂-Emissionen, die er «zugute hat», in der Schweiz unter anderen Importeuren in Form von CO₂-Zertifikaten versteigert und die importierten Verbrenner an die Gewinner der Auktion abtritt. 2014 hatte Tesla gegenüber dieser Redaktion zumindest ein solches Vorhaben bestätigt. Dabei profitieren beide Seiten: Tesla verdient Geld mit dem Verkauf der Zertifikate, der Importeur zahlt nur das Zertifikat, nicht aber die Sanktionen des Bundes, die ihn mehr kosten würden. 2014 war ein Zertifikat gemäss Insidern 4000 Franken wert. Für einen besonders klimaschädlichen Sportwagen dagegen werden schnell Strafzahlungen fällig, die das Dreifache betragen können; wie teuer ein Zertifikat heute ist, ist nicht bekannt.
«Wir sollten mit der Branche ein hartes Gespräch führen.»
Der Bund sieht keinen Handlungsbedarf. Es handle sich um eine länger etablierte Praxis, die auf Stufe Verordnung geregelt sei, schreibt das Bundesamt für Energie. Geschaffen hat die Regel das Parlament vor gut zehn Jahren, sie war Teil eines grösseren Kompromisses, den National- und Ständerat bei der CO₂-Gesetzgebung geschnürt hatten. Doch jetzt, da die Folgen immer deutlicher zutage treten, wird Kritik laut. Ständerat Damian Müller (FDP) hat «den Eindruck, dass die Branche das System ausnutzt». Gesetzgeberisch sieht er jedoch nicht unmittelbar Handlungsbedarf: «Bevor wir eine nächste Regulierung einführen, sollten wir zuerst mit der Branche ein hartes Gespräch führen.»
SP-Fraktionschef Roger Nordmann macht ebenfalls Fragezeichen hinter das Geschäftsmodell von Tesla, kritisieren möchte er es aber nicht. Dies, weil das CO₂-Sanktionsregime insgesamt funktioniere: Die Zahl der Elektroautos wachse bei den Neuwagen, jene der Verbrenner nehme ab. Nordmann will das Regime aber anpassen: «Die Tesla-Fahrer wären sicher froh, wenn sie die Gewähr hätten, dass sie nicht zu einer Erhöhung des CO₂-Ausstosses beitragen.» Nordmanns Vorschlag: Die Tesla-Käufer sollen beim Kauf die Möglichkeit erhalten, einen bestimmten Aufpreis auf ihr Fahrzeug zu zahlen. Im Gegenzug würde Tesla das Fahrzeug nicht dazu nutzen, um Verbrenner sanktionsfrei importieren zu können. Ob die Käufer bereit wären, mehr zu zahlen, ist jedoch zweifelhaft.
Umstrittene Werbung
Das Geschäftsmodell von Tesla ist auch in der EU erlaubt – und dort ebenfalls umstritten. Gemäss Medienberichten spannte Tesla vor vier Jahren mit Fiat-Chrysler zusammen. Branchenkenner schätzen, dass Fiat-Chrysler bis Ende 2023 an Tesla 1,8 Milliarden Euro zahlt, um CO₂-Strafen zu entgehen. Der Konzern, sagte unlängst ein Analyst der Nachrichtenagentur Bloomberg, finanziere Musk damit faktisch seine neue Tesla-Gigafactory im deutschen Grünheide, wo pro Woche etwa 5000 neue Autos vom Band gehen.
Tesla ist in Deutschland mittlerweile ins Visier von Konsumentenschützern geraten. Die Dachorganisation von 42 Verbraucherverbänden, der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV), geht gegen den Autohersteller juristisch vor. Die Konsumentenschützer stören sich an Tesla-Werbeslogans wie «Je schneller wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen überwinden und eine emissionsfreie Zukunft verwirklichen, desto besser». Der Verband ist überzeugt: Konsumenten gehen aufgrund solcher Aussagen davon aus, dass sie durch die Anschaffung eines Tesla den CO₂-Ausstoss durch Personenwagen insgesamt verringern würden. «Für viele ist das ein entscheidender Anlass zum Umstieg auf ein E-Auto.»
Doch die Konsumentenschützer sind fürs Erste gescheitert. Das Landgericht Berlin sieht keine Irreführung der Konsumenten, wie es im April bekannt gab. Beim Kaufentscheid sei es wichtig, zu wissen, wie umweltfreundlich das Fahrzeug sei, nicht der Tesla-Konzern insgesamt. Die Konsumentenschützer haben gegen das Urteil Berufung eingelegt.
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