Nationalbank vs. EZBLagarde denkt über grüne Kriterien beim Kauf von Anleihen nach
Während die Euronotenbank über Ansätze für eine klimaverträglichere Geldpolitik diskutiert, herrscht beim Schweizer Noteninstitut Funkstille.
Finanzmärkte scheitern, wenn es darum geht, die finanziellen Risiken des Klimawandels angemessen zu bewerten. Solange es keinen Preis für den Ausstoss von CO₂ gibt, den die Verursacher zu bezahlen haben, wird dieses Marktversagen bestehen bleiben. Christine Lagarde hat dieser Diskussion einen neuen Anstoss gegeben. In einem Videoauftritt am Mittwoch stellte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) ein zentrales Leitprinzip im geldpolitischen Handeln ihres Hauses infrage – jenes der Marktneutralität.
Wiegen sich Notenbanker in falscher Sicherheit?
Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) lässt sich davon leiten: Beim Kauf von Wertpapieren hält sie sich strikt an Aktien- und Anleihenindizes, welche die Firmen- und Branchengewichtung in Märkten wie den USA oder der Eurozone widerspiegeln. Machen zum Beispiel der Bankensektor 20 Prozent und der Pharmabereich 10 Prozent in einem Währungsraum aus, hält die SNB 20 Prozent Bankaktien und 10 Prozent Pharmapapiere. Würde sie den Pharmaanteil auf 20 Prozent verdoppeln, hätte das zur Folge, dass sich Pharmaaktien im Vergleich zu Bankaktien verteuern. Die SNB wäre damit nicht mehr marktneutral.
Doch macht das Gebot der Marktneutralität für eine Notenbank noch Sinn, wenn die Märkte vorhandene Risiken nicht richtig bemessen und einpreisen? Genau diese Frage stellt Lagarde in den Raum. Die Notenbanker, so sagte die EZB-Präsidentin in ihrer Videobotschaft, müssten sich fragen, ob sie beim Kauf von Wertpapieren nicht übermässige Risiken eingingen, wenn sie einfach darauf vertrauten, dass die Märkte Umweltthemen korrekt bewerteten.
Eine Antwort blieb die Französin freilich schuldig – schon um der Diskussion innerhalb der EZB nicht vorzugreifen. Denn die Euronotenbank steckt inmitten einer Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie. Zur Disposition steht dabei etwa das bisherige Inflationsziel von knapp unter 2 Prozent – aber eben auch, ob die EZB im Rahmen ihres Programms zum Kauf von Anleihen «grüne» Branchen und Unternehmen bevorzugen soll.
Für die SNB zählt nur ihre Kernaufgabe
An der Nationalbank geht die Thematik einer «grünen Geldpolitik» bis jetzt spurlos vorbei. Das Direktorium scheint sich bereits festgelegt zu haben. Der Tenor: Notenbanken sollten sich auf ihre Kernaufgaben – Preis- und Finanzstabilität – konzentrieren und sich aus der Klimapolitik möglichst heraushalten.
«Es ist riskant, andere Aufgaben zu übernehmen, die man dann nicht erfüllen kann», sagte SNB-Präsident Thomas Jordan im Februar gegenüber der «Frankfurter Allgemeinen». Und weiter: Würden sich Notenbanken stärker vor den politischen Karren spannen lassen, gefährdeten sie ihre Unabhängigkeit.
Bereits im letzten Dezember hatte Andréa M. Maechler, Mitglied des SNB-Direktoriums und verantwortlich für die Anlagepolitik, vor den Medien klargemacht, dass die Schweizer Notenbank «mit ihren Investitionen keine strategischen oder strukturpolitischen Ziele» verfolge. Bei der Bewirtschaftung ihrer Anlagen strebe sie eine möglichst breite Marktabdeckung an.
Wie die EZB Klimapolitik betreiben kann
Ganz anders tönt es bei Isabel Schnabel, die dem EZB-Direktorium angehört. Wie die Deutsche in einem Vortrag Ende September herausstrich, sei «eine gemeinsame Aktion von Regierungen, Unternehmen, Investoren, Haushalten und Notenbanken (…) erforderlich, um den Übergang zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft zu beschleunigen und die derzeitigen Marktversagen zu korrigieren».
Welchen Beitrag könnte die EZB konkret leisten? Denkbar wäre laut Schnabel, dass die Notenbank die Kriterien anpasst für Wertpapiere, die Banken als Sicherheiten bei Refinanzierungsgeschäften hinterlegen müssen. Beispielsweise könnte die EZB nur noch Wertpapiere von Unternehmen akzeptieren, die ihre klimabezogenen Risiken vollständig und nachvollziehbar ausweisen.
Die Notenbankerin stellte noch eine weiter gehende Option in Aussicht: gewisse Anleihen vom Kaufprogramm der EZB auszuschliessen. Namentlich solche, mit denen Projekte finanziert werden, die den Zielen der EU zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern zuwiderlaufen.
Ob es so weit kommen wird, ist alles andere als sicher. In der EZB gibt es auch einflussreiche Stimmen – wie jene von Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank –, die nichts von solchen Ideen halten. In ihren Augen ist die Nationalbank mit konsequenter Marktneutralität und Fokussierung auf den Stabilitätsauftrag auf dem richtigen Weg.
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