Schattenbank Zhongzhi ist insolventWegen der Finanzkrise landen Chinesen auf schwarzer Liste
8,5 Millionen Chinesinnen und Chinesen stecken in Zahlungsschwierigkeiten. Ökonomen rechnen mit schwächelnden Konsumausgaben, was die chinesische Konjunktur bremsen dürfte.
Eigentlich sollte der schwer angeschlagene chinesische Bauriese Evergrande auf Antrag des Gläubigers Top Shine Global am 4. Dezember abgewickelt werden. Doch eine Richterin in Hongkong gewährte dem Unternehmen bis 29. Januar 2024 eine Gnadenfrist. Bis dahin muss der Immobiliengigant konkrete Details für eine Umstrukturierung des Konzerns vorlegen, der auch die Zustimmung der Gläubiger findet. Evergrande sitzt auf einem Schuldenberg von mehr als 300 Milliarden Dollar und kämpft seit zwei Jahren ums Überleben.
Eine Liquidation hätte nicht nur volkswirtschaftliche, sondern auch politische Folgen, weil rund 1,5 Millionen chinesische Kunden von einer Totalpleite betroffen wären. Zehntausende haben ihre Apartments bereits bezahlt, stehen aber mit leeren Händen da, weil die Wohnungen weder gebaut noch fertiggestellt sind.
Solche Immobilien hatten nach Schätzungen der «Financial Times» beim Verkauf einen Wert von 90 Milliarden Dollar. Riesige Verluste könnten soziale Unruhen auslösen, wenn Evergrande pleitegeht und die Wohnungen verfallen. Die Entscheidung, Evergrande eine Schonfrist einzuräumen, dürfte daher auch politische Rückendeckung geniessen.
Der hoch verschuldete Immobilienriese hatte nach Aussagen seiner Anwälte den Gläubigern zuletzt sogenannte «Zertifikate» angeboten, die «weder Aktien noch Anleihen sind», aber den Geldgebern beim Verkauf von Vermögenswerten gewisse Anteile am Erlös zusichern. Doch die Gläubiger hatten diesen Vorschlag abgelehnt.
Das Urteil in Hongkong kam «völlig überraschend», meint Neil McDonald von der Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis. Sie vertritt eine Gruppe von Investoren und hat die Liquidation in dieser Woche erwartet. Denn die zuständige Richterin Linda Chan hatte bei der Verhandlung im Oktober angekündigt, Evergrande eine «letzte Chance» für eine konkrete Lösung einzuräumen, sonst sei eine Liquidation im Dezember «wahrscheinlich».
Trotz Vertagung ist der Schaden schon heute gewaltig. Evergrande-Aktien haben seit dem Höchststand 2017 rund 99 Prozent an Wert verloren. Ähnlich düster sieht es bei anderen Immobilienentwicklern aus. Eine Liquidation würde auch die Kreditgeber hart treffen. Experten erwarten einen «brutalen haircut», im Klartext einen harten Schuldenschnitt.
Finanzgruppe Zhongzhi insolvent
Die Folgen der Immobilienkrise sind unübersehbar. Das Pekinger Finanzkonglomerat Zhongzhi hat in einem Brief an Investoren zugegeben, auf einem Schuldenberg von 36,4 Milliarden Dollar zu sitzen und «ernsthaft insolvent» zu sein. Zhongzhi ist einer der grössten Akteure im chinesischen Schattenbankensektor, dessen Volumen insgesamt auf rund drei Billionen Dollar geschätzt wird. Milliardensummen fliessen seit Jahren von Schattenbanken in die Immobilienbranche.
Zhongzhi schätzt die eigenen Vermögenswerte auf nur noch 28 Milliarden Dollar, hat wie das Tochterunternehmen Zhongrong International Trust mehrfach Zahlungsfristen verpasst und kann keine Rettung vom Staat erwarten. Als Ursache der Misere nennt die Schattenbank «verwilderte Sitten des Managements» aufgrund starker Abgänge in den Topetagen. Der Gründer der Bank Xie Zhikun war im Dezember 2021 nach einem Herzinfarkt verstorben.
Die chinesischen Behörden sind hellhörig geworden und haben eine Strafuntersuchung gegen Zhongzhi eingeleitet. Ein Polizeivertreter in Peking sprach von «illegalen Machenschaften», in die mehrere Personen verwickelt sind. Die Behörden suchen jetzt nach Vermögenswerten. Kompliziert wird der Fall durch jüngste Meldungen, wonach zwei Topmanager von Zhongzhi verschwunden sind. Es handelt sich um Finanzchefin Ma Hongying und Vizepräsidentin Ma Changshui.
Millionen Chinesinnen und Chinesen hoch verschuldet
Zusätzliche Sorgen bereiten die Rekordzahlen chinesischer Konsumenten, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken. Rund 8,5 Millionen Schuldner im Alter zwischen 18 und 59 Jahren sind wegen Zahlungsausfällen auf einer schwarzen Liste der Behörden gelandet.
Dies bedeutet, dass die betreffenden Personen für den Kauf von Flugtickets oder Zahlungen über mobile Apps wie Alipay oder Wechat Pay gesperrt sind. Dies geschieht dann, wenn eine Bank oder andere Geldgeber ihre Kunden verklagen und anschliessend Ratenzahlungen verpasst werden.
Viele Chinesen haben sich in den Jahren des Baubooms für den Kauf von Zweitwohnungen hoch verschuldet, um Wohnungen später mit Gewinn zu veräussern. Die Immobilienpreise sind aber eingebrochen, zahlreiche Zwangsvollstreckungen wahrscheinlich. Die Verschuldung der Privathaushalte wurde aber auch durch wachsende Kreditaufnahme, stagnierende Löhne und fehlende Barvermögen beschleunigt.
Die Lage «dürfte sich verschlechtern, ehe sie besser wird», meint Dan Wang, Chefökonomin der Hang Seng Bank, dies ist keineswegs «nur ein zyklisches, sondern auch ein strukturelles Problem». Als Folge dürften die chinesischen Konsumausgaben eher stagnieren und die Konjunktur bremsen. Wang stellt zudem fest, dass viele Fabriken ihre Produktion zurückfahren und weniger Mitarbeiter einstellen.
Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2024 nur noch ein Wirtschaftswachstum von 4,6 Prozent. Die Ratingagentur Moody’s hat diese Woche China mit einer Herabstufung der Bonitätsnote gedroht und den Ausblick von stabil auf negativ gesenkt.
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