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Waldbrand auf Rhodos
«Der Rauch war so dicht, wir hätten keine weiteren zehn Minuten überleben können»

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Ein Löschhelikopter über dem Dorf Kiotari. 
Nichts als Rauch: Wegen der heftigen Waldbrände vor allem im Südosten der Insel Rhodos haben die Behörden mit Evakuierungen begonnen.
19’000 Touristen und Einheimische sind aus den Gefahrengebieten evakuiert worden. Es handle sich um die grösste Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben habe. 
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Nach der Evakuierung vieler Dörfer und Hotelanlagen wegen grosser Waldbrände haben Tausende Menschen auf der griechischen Ferieninsel Rhodos die Nacht von Samstag auf Sonntag im Freien verbracht. Laut griechischer Regierung wurden 19’000 Menschen in Sicherheit gebracht – viele von ihnen in den Norden der Insel, wie das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mitteilte. Es handele sich um «die grösste Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben hat».

Nach ersten Schätzungen der Polizei sollen seit Samstag rund 16’000 Menschen auf dem Landweg und 3000 Menschen von Stränden aus über das Meer in Sicherheit gebracht worden sein. Derweil landeten trotz der überbordenden Probleme und andauernden Brände im Laufe des Sonntags neue Ferienflieger, wie der Vizebürgermeister der Insel Thanasis Virinis am Sonntagmorgen dem TV-Sender Mega sagte.

Der Reisekonzern Tui gab am Sonntagmittag bekannt, angesichts der starken Waldbrände vorerst keine Touristen mehr nach Rhodos zu fliegen. Die Flugverbindungen blieben aber bestehen, um Gäste zurück nach Deutschland zu fliegen, sagte Aage Dünhaupt, Leiter Kommunikation von Tui Deutschland, der dpa. Zudem könnten viele Reisende von ihrem Flug zurücktreten. Gäste, die bis kommenden Freitag nach Rhodos gebucht seien, könnten kostenfrei stornieren oder auf ein anderes Urlaubsziel umbuchen. Der Tui-Konzern habe insgesamt derzeit etwa 39’000 Gäste auf Rhodos, sagte Dünhaupt, 7800 von ihnen seien vom Feuer betroffen und evakuiert worden.

«Es war so heiss und der Rauch schon so dicht, dass wir keine weiteren zehn Minuten hätten überleben können.»

Paul, 23-jähriger Tourist auf Rhodos

Der Brand auf Rhodos war am Dienstag ausgebrochen. Am Samstag trieben die Flammen dann plötzlich auf mehrere Dörfer zu, die Behörden gaben Evakuierungsalarm. Touristen und auch Einheimische wurden für die Nacht in Turnhallen, Schulgebäuden und Hotel-Konferenzzentren untergebracht.

«Grösste Evakuierungsaktion, die es je in Griechenland gegeben hat»: Eine Basketballhalle auf Rhodos wurde  zur Notunterkunft für Touristen umfunktioniert. 

«Wir wurden im letzten Moment vor dem Feuer gerettet», erzählte der 23-jährige Bielefelder Paul, der mit seiner Partnerin Ferien auf Rhodos machte. Als sie vom Strand in ihr verlassenes Hotel zurückkehrten, sei ihnen die «glühende Asche» bereits um die Köpfe geflogen, «und es war keine Hilfe in Sicht». «Es war so heiss und der Rauch schon so dicht, dass wir keine weiteren zehn Minuten hätten überleben können.»

Schliesslich seien Busse gekommen, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch einige Gäste seien so in Panik geraten, dass sie am Strand nach Booten gesucht hätten, um auf eigene Faust zu flüchten.

Hotels bleiben wohl längere Zeit geschlossen

Der Brand habe «das Herz von Rhodos und seine Umwelt getroffen», sagte der Naturkatastrophen-Experte Efthymios Lekkas am Sonntag dem Fernsehsender ERT. Er warnte vor schwerwiegenden Auswirkungen für die Tourismusbranche der Insel.

«Ich bin gerade von Lindos nach Gennadi gefahren», sagte er. «Alle grossen Hotels haben geschlossen. Ich glaube nicht, dass sie dieses Jahr nochmal öffnen werden, denn die Umgebung ist zerstört und lädt nicht gerade zum Urlauben ein».

Hotspot für Touristen – mehr als 100 Anfragen beim EDA

Das griechische Aussenministerium hat am Flughafen der Insel einen Hotspot eingerichtet, wo Touristen unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wenn sie keine Ausweispapiere mehr haben. Das berichtete am Sonntag der griechische Staatssender ERT. Viele Menschen hätten vor dem Feuer flüchten müssen und unter Umständen keine Zeit mehr gehabt, ihr Hab und Gut mitzunehmen. Zudem hat der Krisenstab des Zivilschutzes zwei Telefonnummern für ausländische Besucher eingerichtet, wenn sie Angehörige vermissen. Vermisst wird allerdings bislang nach offiziellen Angaben niemand.

Die Helpline des eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat mehr als 100 Anfragen zur Lage auf der Insel beantwortet. Unter den Evakuierten sind auch Schweizerinnen und Schweizer.

Dies teilte das EDA auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Das EDA verfolge die Situation im Zusammenhang mit den Bränden auf der Insel weiterhin aufmerksam, hiess es weiter. Die Schweizer Botschaft in der griechischen Hauptstadt Athen stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden vor Ort und nehme ihre konsularischen Dienstleistungen wahr.

Ein zusätzlicher Konsularbeamter war laut Angaben des EDA am frühen Sonntagabend auf dem Weg nach Rhodos, um das Honorarkonsulat vor Ort zu verstärken und um Schweizer Staatsangehörige nach Bedarf zu unterstützen. Auslandschweizerinnen und -Schweizer sowie Touristinnen und Touristen sind laut EDA dazu angehalten, die Anweisungen der lokalen Behörden zu verfolgen. Das EDA könne über die Helpline in Bern sowie über das Konsulat auf Rhodos selbst kontaktiert werden.

Laut EDA operiert der Flughafen auf der Insel trotz der ausser Kontrolle geratenen Waldbränden normal. Unter anderem wurde ein Flug der Fluggesellschaft Swiss nach Rhodos am Sonntagnachmittag planmässig durchgeführt. Rückreisen seien individuell oder über ein Reisebüro zu organisieren, hiess es beim EDA weiter. Schweizer Staatsangehörige berichteten laut mehreren Schweizer Medien darüber, wie sie aus ihren Hotels vor den Bränden flüchten mussten.

Die Brände tobten unterdessen weiter. Für Sonntag und auch Montag ist keine Entspannung in Sicht – zumal es weiterhin stark windete. Ein Sprecher der Feuerwehr sprach gegenüber dem Staatssender ERT von drei grossen Fronten. Es handelt sich um Brände rund um den Ferienort Kiotari, das Dorf Apollona und den Stausee Gadoura.

Alle Feiern zur Wiederherstellung der Demokratie für Montag abgesagt

Der griechische Zivilschutz warnte für Sonntag für weite Teile Griechenlands vor extrem hoher Waldbrandgefahr. Die höchste Alarmstufe fünf galt neben Rhodos auch für Mittelgriechenland, den Westen und Nordosten der Halbinsel Peloponnes sowie den Grossraum Athen und die Insel Euböa. Seit Tagen hat eine starke Hitzewelle mit vielerorts Temperaturen von über 40 Grad das Land im Griff. Auch zuvor war es bereits länger heiss und trocken.

Unterdessen brach auf der zweitgrössten Insel Euböa ein weiterer Waldbrand aus. Nach Angaben der Feuerwehr waren jedoch keine Gebäude von den Flammen bedroht.

Im Zuge der globalen Erwärmung steigt in vielen Regionen die Waldbrandgefahr, wie etwa der Weltklimarat IPCC festgestellt hat. Zwar kann ein wärmeres Klima dazu beitragen, dass mehr Wasser vom Himmel fällt, auch häufiger in Form von Starkregen. Die Zeiträume ohne Niederschläge werden aber teils länger. Und gerade in ohnehin trockenen Gebieten steigt die Gefahr von Dürreperioden. In extrem trockener Vegetation können sich Waldbrände schneller ausbreiten.

Wegen der Brände im ganzen Land sagte die griechische Präsidentschaft für Montag alle Feiern zum Gedenken an die Wiederherstellung der Demokratie ab.

Mindestens ein Todesopfer beim Einsturz einer Brücke

Zu allem Übel ist in Griechenland am Sonntag auch noch eine Brücke der Umgehungsautobahn der Hafenstadt Patras eingestürzt. Dabei ist mindestens ein Mensch ums Leben gekommen. Acht weitere wurden verletzt in Krankenhäuser gebracht, wie ein Sprecher der Feuerwehr am Abend auf einer Pressekonferenz sagte.

Rettungskräfte im Einsatz bei eingestürzten Brücke. 

Der Staatssender ERT zeigte Videos der Arbeiten von Rettungsmannschaften an der Brücke, die nur noch aus Betontrümmern bestand. «Wir suchen noch nach weiteren Menschen, die unter den Trümmern liegen könnten», sagte ein Mitglied der Rettungsmannschaft.

Die griechische Zeitung «To Proto Thema» berichtete am Abend, es habe bereits drei Festnahmen von mutmasslich Verantwortlichen für das Unglück gegeben. Verantwortlich könnte demnach etwa jemand sein, der für die Absperrung des Bereichs zuständig war. Die Angaben zu den Festnahmen wurden zunächst nicht offiziell bestätigt.

Die Brücke war laut einem Bericht des Staatsfernsehens bereits seit ein paar Tagen gesperrt und sollte abgerissen werden, weil sie instabil war. Zum Zeitpunkt des Unglücks befanden sich zwei schwere Geräte auf der Brücke – unter anderem ein grosser Kran, wie die Bilder zeigten. Die Überlebenden und jenen, die sich zum Zeitpunkt des Einsturzes unter der Brücke befanden, hatten angegeben, dort nach Stahl- und Eisenresten gesucht zu haben, um diese zu verkaufen.

SDA/step