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Papablog: Familienalltag
Chaos anhalten? Geht nicht

Von wegen mühsames Gewusel: Genau dieses Chaos macht den Familienalltag aus – und hält ihn am Laufen.
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Kürzlich hatten die Lebenskomplizin und ich für ein paar Tage ihre Schwester nebst Partner und Neffen zu Besuch. Er wird wohl auf absehbare Zeit die Liste «Lieblingsbesuche von Verwandten und befreundeten Menschen» anführen, weil er so unkompliziert und entspannt war. Die Eltern des acht Monate alten Dropses haben sich einfach in unseren Alltag eingefügt und uns an ihrem teilhaben lassen. Sie waren weder unsere Hotelgäste, noch haben sie irgendein Unterhaltungsprogramm von uns erwartet.

Ganz ehrlich: Wer Eltern von vier Kindern daheim in der Einschulungswoche ihrer jüngsten Tochter besuchen will und Spezialunterhaltung erwartet, sollte zu Hause bleiben. Hier gibt es keine Show – übrigens auch in allen anderen Wochen nicht. Hier gibt es nur guten, herzhaften, zähen, nervigen, grossartigen Alltag. 

Dieses Chaos ist unsere Welt

Klar gibt es auch Urlaube und Freizeitparks. Aber dann hat man eben Alltag in Urlauben und Freizeitparks. Ungewöhnliche Umstände ändern nichts daran, dass Kinder essen müssen und ins Bett gebracht werden wollen. Dass es zu kleinen und grösseren Katastrophen kommt, jemand sich streitet und wieder versöhnt – oder irgendwer gerade echt unzufrieden mit der Gesamtsituation ist. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit braucht einer – wenn nicht alle Beteiligten – Aufmerksamkeit, Trost, Konfliktlösung, Anerkennung, Nähe und Distanz sowie alle möglichen anderen Dinge. Gleichzeitig. So gehört sich das. Für Menschen, die vorbeikommen und erwarten, dass wir dieses ganze Chaos für sie anhalten, damit wir mal «in Ruhe reden/durch die Stadt bummeln/diese oder jene Attraktion besichtigen können» haben wir keine Zeit. Dieses Chaos ist unsere Welt und unsere Welt dreht sich weiter. 

Der Alltag muss bewältigt werden, sonst fällt alles in sich zusammen.

Selbstverständlich sind diese Dinge trotzdem möglich: Ich mag entspannte Gespräche, ich bummle gerne durch Städte und es gibt genug Attraktionen, die ich sehen möchte. Nur macht es deutlich mehr Spass mit Leuten, die zumindest eine ungefähre Vorstellung davon haben, dass all das auf einem Familienplaneten stattfindet, der mit viel Mühe und Kraft so gestaltet wurde, dass niemand dabei Verstand, Kraft und Grundwohlwollen gegenüber den Liebsten verliert. Ich muss all die schönen Ausnahmen von unseren familienlebensversicherungstechnischen Regeln also einrichten – und so sollten sie auch behandelt werden.

Als mich eine Verwandte mal auf unserem Familienplaneten besuchte und mit mir ein «unentspanntes Gespräch» führte, während ich die Küche putzte, das Abendessen zubereitete und den Schulkram meiner Kinder unterschreibend zur Kenntnis nahm, bat sie mich wortwörtlich darum, «doch mal anzuhalten». Meinen Vorschlag, dass sie gerne meinen Kram erledigen kann, während ich ihren Kaffee trinke, fand sie nicht so berauschend. 

Wir sind kein Restaurant und kein Zoo

Aber genau das ist der Punkt. Ich verdiene und ich will keinen Applaus von anderen Menschen für die Art und Weise, wie ich lebe und meinen Alltag geregelt bekomme. Niemand hat mich darum gebeten, ich habe mir das selbst so ausgesucht. Aber der Alltag muss bewältigt werden, sonst fällt alles in sich zusammen. Das kommuniziere ich auch so. Für wiederholte Nachfragen, warum «wir denn schon um sieben essen» fehlt mir mit zwei Grundschulkindern, die am nächsten Morgen früh raus müssen, daher Zeit und Verständnis. Dann komm halt nicht zum Essen.

Unser Leben ist Alltag. Und ja, auch uns ist er oft zu viel. Deshalb geben wir uns so viel Mühe bei seiner Gestaltung. Deswegen gibt es bei uns keine Besichtigungstermine. Wir sind kein Restaurant und kein Zoo. Wir haben auch keine mehrstündige Enkelausstellung nach grosselterlichen Bedarf im Programm. Wir haben nur uns in mal besserer und mal schlechterer Verfassung. Wir haben immer mit uns zu tun. Solange niemand erwartet, dass wir das für ihn oder sie pausieren, ist alles cool. 

Einladung steht.