CEO-Mord in New YorkLuigi M., Häftling mit Kultstatus
Der Rummel um den Prozess in New York ist riesig. Die Anwältin des Angeklagten versucht, das zu seiner Verteidigung zu nutzen.
- Luigi M. hatte seinen ersten Termin vor einem New Yorker Gericht.
- Medien berichteten ausführlich über sein Festtagsmahl im Gefängnis.
- Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe.
- In einem zweiten Prozess auf Bundesebene könnte ihm auch die Todesstrafe drohen.
Wie Brian Thompsons Frau und Kinder die ersten Weihnachten nach seiner Ermordung verbrachten, ist nicht überliefert. Das Festtagsmahl seines mutmasslichen Mörders wussten die amerikanischen Medien hingegen ausführlich zu beschreiben. Luigi M. habe im Gefängnis in Brooklyn ein Stück Huhn mit grünen Bohnen bekommen, schrieb das Magazin «People».
Möglicherweise habe er auch ein Geschenksäcklein erhalten. Mit einer Zimtschnecke, heisser Schokolade und Eggnog, einem Feiertagsgetränk aus Sahne, Ei und Gewürzen. Genau wie Sean Diddy Combs, die gefallene Rap-Grösse, und Sam Bankman-Fried, der gefallene Krypto-Banker, die beide in derselben Anstalt sitzen.
Der «heisse Mörder» auf den Gerichtsfotos
Die illustre Gesellschaft trägt zum Starstatus bei, den Boulevardpresse und soziale Medien dem 26-Jährigen zuschreiben, der verdächtigt wird, am 4. Dezember in Manhattan den Chef des grössten amerikanischen Krankenversicherers erschossen zu haben. Als «hot assassin» wird er beschrieben, als der «heisse Mörder», der es schaffe, auf Polizei- und Gerichtsfotos so sexy dreinzuschauen, dass tagelang darüber diskutiert worden sei, ob seine Augenbrauen nur rasiert oder doch mit Faden gezupft waren. Oder etwa gar mit Zahnseide?
Selbst Shopping-Hypes soll Luigi M. als Häftling auslösen. Zu seinem ersten Gerichtstermin vor dem State Court in New York am Montag trug er neben den Ketten an Beinen und Händen auch einen weinroten Pullover über einem weissen Hemd. Innert Stunden sei danach ein ähnlich aussehender Pullover eines amerikanischen Warenhauses ausverkauft gewesen, berichtete eine Reihe von Onlineportalen, von der britischen «Daily Mail» bis zur «Times of Hindustan». Unter ging in der angeblichen Berichterstattung, dass die vermeintlichen Quellen entweder Satire oder nicht überprüfbar waren.
Im zweiten Prozess droht die Todesstrafe
Die Anwältin des Beschuldigten versuchte umgehend, eine Verteidigungsstrategie zu stricken aus dem riesigen Trubel. Sie habe in ihrer ganzen Karriere noch nie erlebt, dass ein Beschuldigter derart vorgeführt worden sei wie ihr Mandant, sagte sie vor dem Richter. Er werde als «politisches Futter» missbraucht. Zuvor war plötzlich New Yorks Bürgermeister Eric Adams aufgetaucht, der den Gerichtstermin zu seiner eigenen Bühne umfunktionierte. «Ich erlaube ihm nicht einfach so, in unsere Stadt zu kommen. Ich wollte ihm in die Augen schauen», erklärte Adams theatralisch. Der Bürgermeister muss sich selbst als Beschuldigter vor Gericht verantworten, weil er unter dem Verdacht steht, Bestechungsgelder von der türkischen Regierung angenommen zu haben.
«Nicht schuldig», waren die einzigen zwei Worte, die Luigi M. selbst vor dem Gericht sagte. Das war seine Antwort auf die Anträge der New Yorker Staatsanwaltschaft, die ihn unter anderem wegen terroristischen Mordes und illegalen Waffenbesitzes anklagt. Im Fall eines Schuldspruchs könnte der 26-Jährige mit lebenslanger Haft bestraft werden. Allerdings steht dem mutmasslichen Mörder ein zweiter Prozess auf Bundesebene bevor, weil er mehrere Delikte beging, die in die Kompetenz der Bundesbehörden gehören. Die Anklagepunkte dabei umfassen unter anderem Mord mit Schusswaffe. Dafür könnte M. die Todesstrafe erhalten, die in New York abgeschafft ist, hingegen nicht im Bundesrecht.
Demonstranten vor dem Gericht
Bisher gibt es nur lückenhafte Anhaltspunkte dafür, was den Sohn aus reichem Haus, Abgänger von Eliteuniversitäten, dazu getrieben haben könnte, den Chef des grössten amerikanischen Krankenversicherers zu erschiessen. Das hinderte Demonstranten nicht daran, vor dem Gerichtsgebäude in New York ihre Unterstützung für Luigi M. zu bekunden, den sie als Helden im Kampf der Unterdrückten gegen ein kaputtes Gesundheitssystem betrachten.
Richter Gregory Carro versprach dem Beschuldigten einen fairen Prozess, ungeachtet der grossen Publizität. «Wir werden sorgfältig die Geschworenen aussuchen», sagte er am Montag, bevor er den nächsten Termin auf den 21. Februar festlegte und alle in die Weihnachtspause verschwanden.
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