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Meinung

Kolumne: Cenks Kulturkarussell
Ohne Text und doppelten Boden

ONLINE TEASER
Portrait von Cenk Korkmaz, Autorenbild der neuen Kolumnistinnen.
02.02.2023
(URS JAUDAS/TAGES-ANZEIGER)
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In der Welt der Comedy balanciere ich selbst zwischen Vorbereitung und Spontanität. Ein guter Stand-up-Auftritt wirkt oft so, als würde man seine Gedanken spontan und ungefiltert mit dem Publikum teilen, auch wenn jeder Satz und jede Pointe im Vorfeld sorgfältig ausgearbeitet wurde. Diese Mischung aus vorbereitetem Material und der Bereitschaft, spontan auf das Hier und Jetzt zu reagieren, macht den Reiz der Stand-up-Comedy aus.

Das Improtheater hingegen ist eine Kunstform, die in der vollständigen Spontanität ihrer Darbietungen wurzelt. Die Vorstellung, auf die Bühne zu treten, ohne zu wissen, was die nächsten Minuten bringen, erscheint mir eine faszinierende, wenn auch leicht beängstigende Idee.

Mit einer Mischung aus Respekt und Nervosität betrat ich also als Zuschauer das Theater. Bereit, meine Vorstellungen von dem, was eine Bühnenperformance sein kann, herausfordern zu lassen.

An diesem interaktiven Abend blieben mir zwei Spiele besonders im Gedächtnis. Beim Spiel «Tinder» agierte ein Darsteller als Single auf der Suche nach dem idealen Partner. Das Publikum lieferte Charakteristika für potenzielle Matches, die die anderen Darsteller dann in humorvollen Vorstellungsrunden zu erfüllen versuchten. Jede falsche Annäherung wurde mit einem kollektiven «Swipe nach links» quittiert, was zu urkomischen Situationen und viel Gelächter führte.

Ein besonderes Highlight war die «amerikanische Sitcom». Hier schlüpfte das Ensemble in die Rollen einer schrägen TV-Familie: ein tollpatschiges Kind, ein sprechendes Haustier, ein nerviger Nachbar, ein Elternteil – und ein zweiter Elternteil, der von einer mutigen Zuschauerin gespielt wurde. Das Publikum durfte eigene Ideen beisteuern, beispielsweise ein spezielles Kunststück für das Haustier oder ein lustiger Akzent für die Eltern. Jedes Mal, wenn der nervige Nachbar auftrat, folgte ein dramatisches «Buuuh», und Applaus gab es bei jedem Trick des Meerschweinchens. Ja, das Haustier war ein Meerschweinchen. Es konnte eine Rolle vorwärts machen. Und auch die Zuschauerin, nun Teil der Familie, sorgte mit ihrem improvisierten Walliser Dialekt bei jedem Satz für schallendes Gelächter.

Als der Vorhang fiel und der Applaus durch den Raum hallte, war ich erfüllt von einer Mischung aus Bewunderung und Inspiration. Dieser Besuch im Improtheater war nicht nur eine Gelegenheit, talentierte Darstellende bei ihrer Arbeit zu beobachten, sondern auch eine Lektion in der unbändigen Kraft der Spontanität.

Ich möchte mehr wagen

Diese Erfahrung motiviert mich, in meinen eigenen Auftritten mutiger zu sein, mehr zu improvisieren und die Verbindung zum Publikum noch intensiver zu suchen. Bisher hatte ich ehrlich gesagt noch nicht so oft den Mut, mich auf improvisierte Momente zu verlassen. Wenn, dann entstehen solche Momente unverhofft, wenn ich mich verspreche. Oder wenn jemand aus dem Publikum etwas reinruft – was man als Comedian natürlich nicht unkommentiert lassen darf und worauf man spontan reagieren muss. Die daraus resultierenden Interaktionen führen oft zu kleinen Höhepunkten und stellen eine unmittelbare Verbindung zum Publikum her. Aber eine Garantie gibt es nicht.

Die Leichtigkeit, mit der die Künstlerinnen und Künstler des Improtheaters mit diesem Risiko umgehen, ist beachtlich. Davon kann ich mir eine dicke Scheibe abschneiden.

Als jemand, der auf der Bühne normalerweise Halt in der Vorbereitung findet, hat mich der Abend mit einer tiefen Hochachtung für die Kunst der Improvisation zurückgelassen und mich daran erinnert, dass in der Spontanität eine kraftvolle Form des Ausdrucks liegt. Es hat mir gezeigt, dass die Essenz des Improvisierens nicht nur in der Fähigkeit liegt, spontan zu sein, sondern auch darin, gemeinsam mit dem Publikum einzigartige Momente zu erschaffen.

Für alle, die das Improtheater noch nicht erlebt haben, ist es eine Entdeckungsreise wert. Es bietet die seltene Gelegenheit, Zeuge zu sein, wie Kunst in Echtzeit entsteht.