Isolationshaft im Iran«Eine Stunde wurde zur Woche»: Cecilia Sala äussert sich erstmals nach ihrer Freilassung
Kaum zurück in Italien, meldet sich die Journalistin in einem emotionalen Podcast zu Wort. Sie betont, dass sie den Iran immer noch liebe.

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- Cecilia Sala wurde nach drei Wochen Haft in Teheran freigelassen.
- Sie war überrascht über das erhaltene Arbeitsvisum im Iran.
- Sala berichtet über psychische Belastung, nicht physische Bedrohung.
Bereits einen Tag nach ihrer Freilassung tritt die italienische Journalistin an die Öffentlichkeit. In einer Folge ihres eigenen Politik- und Gesellschaftspodcasts «Stories», den sie bei der Podcast-Agentur «Chora Media» betreibt, wird sie vom Agenturchef Mario Calabresi interviewt.
Sie sei überglücklich, aber auch verwirrt, sagt die 29-Jährige mit zittriger Stimme. «Letzte Nacht habe ich vor Aufregung und Freude nicht geschlafen, die Nacht davor vor Kummer». Am Mittwochmorgen wurde von der italienischen Regierung bekannt gegeben, dass Sala nach drei Wochen Haft in Teheran freigelassen wird.
Sala berichtet beruflich über Personen, die in geopolitisch schwierigen Lagen leben. Einige iranische Frauen waren schon bei «Stories» zu Gast.
Sala wusste nicht, wohin sie abgeführt wird
Am 19. Dezember befindet sich Sala in ihrem Hotelzimmer in Teheran und arbeitet gerade an einer Podcast-Folge. Plötzlich klopft es. «Ich dachte, es seien Putzfrauen. Ich sagte, ich bräuchte nichts, ich würde arbeiten. Aber sie waren hartnäckig, also öffnete ich die Tür», sagt sie.
Sala wird weggeführt. Wohin sie gebracht wird, weiss sie nicht. Doch schnell hat sie eine Vermutung. «Ich hatte viel vom Evin-Gefängnis gehört, wusste, wie es aussieht und dass wir die Stadt noch nicht verlassen haben», sagt sie. «Es musste Evin sein».

Bereits zu Beginn ihrer Haft wird sie in die Isolationszelle geschickt. Sala schläft in einem engen Raum auf dem Boden, es gibt kein Fenster, das Licht ist durchgehend angeschaltet. Ihr fehlt es an jeglicher Orientierung. Besonders Schlaflosigkeit plagt sie. «Wenn man gedanklich nicht viel zu tun hat, wird man auch nicht müde. Eine Stunde wurde so zur Woche», sagt sie. Sie zählt ihre Finger auf und ab, liest die Zutaten auf der Brotpackung, die ihr gegeben wurde.
Alles, was sie will, ist ihre Brille und ein Buch. Beides wird ihr anfangs verwehrt. Ein paarmal darf sie mit ihren Angehörigen telefonieren. Sie bittet ihren Partner Daniele Raniere um Bücher, die er zu Hause auch gleich selbst lesen soll. «Damit wir mit dem Kopf am selben Ort sind, auch wenn wir es mit dem Körper nicht sein können», sagt sie. Ihn habe sie am meisten vermisst.
Ihre Familie schickt ihr zu Silvester ein Paket mit Panettone und Büchern. Das kommt aber nie bei Sala an. Dafür wird sie in den ersten zwei Wochen jeden Tag verhört. Details darüber kann sie noch keine teilen, die Ermittlungen laufen noch. «Sie fragten mich allerlei Dinge, vieles vielleicht auch, um mich zu verwirren.»
Sala: «Ich war physisch in keinster Weise bedroht»
Vor ihrer Reise habe sie schon befürchtet, im Iran verhaftet werden zu können. «Ich habe mir, als ich drinnen war, deswegen viele Vorwürfe gemacht», sagt sie. Da ihr von der Regierung aber ein Arbeitsvisum gewährt wurde, entschied sie sich, zu gehen. Denn Arbeitsvisa, insbesondere für Journalisten, wurden in der Vergangenheit von der iranischen Regierung nur selten erteilt. Sala interpretierte es als «Geste der neuen, moderaten Pezeshkian-Regierung gegenüber ausländischen Journalisten» und nahm das Risiko in Kauf.
Sie selbst vermutet, dass ihre Festnahme mit dem Fall des iranisch-schweizerischen Doppelbürgers Mohammed Abedini zusammenhängen könne. «Ich habe auch andere Hypothesen in Betracht gezogen, aber bei dieser war ich mir ziemlich sicher. Ich dachte, dass es sich um einen sehr schwierigen Austausch handeln wird», sagt sie. Sie hatte damit gerechnet, viel länger in Haft zu sein, vielleicht sterben zu müssen. Das belastete sie vor allem psychisch, physisch sei ihre Sicherheit «in keinster Weise» bedroht gewesen.
Während der 20 Tage denkt sie oft an die Iranerinnen, die sie bisher interviewt hat. In ihrem letzten Podcast vor ihrer Verhaftung sprach sie mit der einst inhaftierten iranischen Stand-up-Comedienne Zeinab Musavi. «Sie erzählte mir, dass sie sich sogar in Isolation Witze ausdenken und sich selbst zum Lachen bringen konnte», sagt Sala. «Das gab mir sehr viel Stärke».
Sala plagen Schuldgefühle
An ihren letzten Tagen erhält Sala ihre Brille und ein Buch, Murakamis «Kafka am Strand». «Ich war überrascht, das Buch enthält viele Sexszenen», sagt sie. Auch bekommt sie eine Zimmernachbarin. Mit dieser kann sie nur gebrochen kommunizieren. «Aber es ging. Wir sprachen mit Gesten, Lächeln, Umarmungen. Wir dachten uns Spiele aus, lachten zusammen, lehrten einander Wörter auf Farsi und Englisch.»
Als die Wache Sala mitteilt, dass sie gehen kann, ist sie verwirrt. Sie fühlt sich schuldig. «Dass ich meine Zimmernachbarin allein lassen musste, dass sie nun allein ist, wie ich es vorher so lange war, ist momentan der psychologisch am schwersten zu ertragende Zustand», sagt sie und fängt an, zu weinen.
Sie liebe den Iran und die iranischen Frauen immer noch. Denn den Iran der Regierung habe sie nie mit dem Iran des Volkes verwechselt. «Daran hat sich nichts geändert», sagt sie.
Sie müsse sich nun erst finden. Am ersten Tag ihrer Haft habe sie sich versprochen, nie wieder einen ganzen Tag nur am Computer zu verbringen. «Es wird keinen Tag mehr geben, an dem ich nicht, zumindest ein wenig, draussen bin.»
red
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