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Erklärung im Parlament
Bundesrat muss gegenüber Teheran den Ton verschärfen

«Wichtige Orte in einem Gastland zu besuchen, ist für Diplomaten unverzichtbar», sagt der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis. 
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Am gleichen Tag, als Aussenminister Ignazio Cassis eine Rede zur Eröffnung der 52. Session des UNO-Menschenrechtsrats in Genf hält, richtet das Parlament einen Appell an den Bundesrat. Der Nationalrat fordert in einer Erklärung handfeste Massnahmen in der Iran-Politik der Regierung. Taten statt Worte, gewissermassen. 

Denn Worte fand Bundesrat Cassis auch in Genf: «Noch immer werden viele Menschen für freie Meinungsäusserungen inhaftiert und sogar gefoltert. Noch immer werden viele Menschen aufgrund von Schnellverfahren und erzwungenen Geständnissen hingerichtet», sagte er in Genf.

Zuvor hatte schon UNO-Generalsekretär António Guterres gewarnt: «Die heutige öffentliche und private Verachtung der Menschenrechte ist ein Weckruf. Dies ist der Moment, sich auf die richtige Seite der Geschichte zu stellen.»

Auf der richtigen Seite der Geschichte sieht sich Cassis selbstredend, auch im Umgang mit dem Iran. Doch ein Foto der Schweizer Botschafterin im Iran, die kürzlich im Tschador einen religiösen Ort besuchte, hat in weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung und der Schweizer Bundespolitik Empörung ausgelöst. Die Frage ist: Wie kann man als Schweizer Diplomatin einen Tschador tragen, obschon das iranische Regime als Reaktion auf den Freiheitskampf Frauen und Männer verschleppen, foltern und exekutieren lässt? 

UNO-Generalsekretär António Guterres und der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis sind sich einig: Die Menschenrechte müssen weltweit mehr respektiert werden. 

In einem Mediengespräch im Anschluss an seinen Auftritt im Menschenrechtsrat hat Cassis zum Auftritt seiner Botschafterin Stellung genommen – und die Diplomatin und die Schweizer Aussenpolitik im Iran verteidigt. Wichtige Orte im Gastland zu besuchen, sei für eine Diplomatin oder einen Diplomaten «unverzichtbar», so Cassis. «Dieses Risiko muss man eingehen. Wenn das nicht mehr möglich ist, kann man eine Botschaft auch gleich schliessen», sagte der Schweizer Aussenminister in Genf. Darüber hinaus sprach er von «medialer Desinformation», ohne in diesem Punkt jedoch konkret zu werden.

Der Iran sei nun einmal «ein islamischer Staat, an dessen Gesetze sich Diplomaten halten müssen». Auch die Schweiz erwarte von hierhin entsandten Diplomaten, dass sie sich an die hier geltenden Gesetze hielten, so Cassis weiter. Das stärkste Zeichen gegenüber dem Iran habe man gesetzt, als man eine Frau als Repräsentantin der Schweiz entsandt habe.

Bezüglich der Repression gegen Vertreter der Freiheitsbewegung habe es seitens der Schweiz mehrere Interventionen gegeben. So habe er seinem iranischen Amtskollegen in New York in einem halbstündigen Gespräch nach dem Tod einer jungen Aktivistin klargemacht, dass die Todesumstände aufgeklärt werden müssten, sagte der Tessiner. Kurz vor Weihnachten habe das Aussendepartement die iranische Seite in einem Brief darauf hingewiesen, dass Exekutionen nicht geduldet würden und sofort eingestellt werden müssten. 

Schweiz soll EU-Sanktionen übernehmen

Doch nun fordert das Schweizer Parlament einen Richtungswechsel vom Bundesrat. Mit einer deutlichen Mehrheit von 107 Stimmen hat der Nationalrat am Montag eine Erklärung verabschiedet und appelliert an die Landesregierung, die EU-Sanktionen gegen die Islamische Republik zu übernehmen. Mitte, SP, Grüne und GLP stimmten fast geschlossen dafür. Die SVP und einige Stimmen der FDP waren dagegen.

«Offenbar braucht es das Parlament, um die Entscheidungsfähigkeit des Bundesrats in Gang zu bringen.»

Mitte-Nationalrätin Marianne Binder

Die Räte und der Bundesrat können zu wichtigen Ereignissen der Aussen- oder Innenpolitik eine Erklärung abgeben. Der Nationalrat kann dies auf Antrag der Mehrheit einer Kommission tun – in diesem Fall war es die Aussenpolitische Kommission (APK). Deren Vertreter, SP-Nationalrat Fabian Molina, sagt: «Es braucht dringend eine Wende in der Schweizer Iran-Politik.» Er hofft, dass die verabschiedete Erklärung im Parlament den Weg bereitet für die Motion nächste Woche, die im Gegensatz zur Erklärung eine rechtliche Bindung für den Bundesrat hätte. Auch sie verlangt den Nachzug der EU-Sanktionen gegen den Iran. «Die Erklärung ist ein klares Signal des Schweizer Parlaments an den Bundesrat, aber auch an die Menschen im Iran.»

Auch Mitte-Nationalrätin Marianne Binder befürwortet den Appell. «Offenbar braucht es das Parlament, um die Entscheidungsfähigkeit des Bundesrats in Gang zu bringen.» Schon bei Ausbruch des Ukraine-Krieges sei es so gewesen, sagt sie. «Der Bundesrat übernahm die Sanktionen gegen Russland nach langem Zögern und erst, nachdem der Rat in der Frühlingssession einer Erklärung der Staatspolitischen Kommission zugestimmt hatte.» Sie fügt an: «Mich dünkt, der Bundesrat versteht seine Aufgabe irgendwie falsch.»

Der Genfer SVP-Nationalrat Yves Nidegger stellte einen Minderheitsantrag, um die Erklärung abzulehnen. Er sagte: «Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man mit Sanktionen eine grundlegende Veränderung im Iran bewirken kann.» Eine Minderheit von 71 Stimmen folgte seinem Antrag. 

Zur verabschiedeten Erklärung wollte sich Cassis nicht äussern und argumentierte hierbei mit der «Gewaltenteilung».