Gelder missbraucht?Cassis nimmt Hilfswerke in die Pflicht
Nach der Millionen-Kampagne der NGOs für die Konzerninitiative soll verhindert werden, dass diese mit Geld des Bundes Abstimmungskämpfe betreiben.
Bundesrat Ignazio Cassis greift durch. Er hat nach der Millionen-Kampagne der NGOs für die Konzernverantwortungsinitiative allen Hilfswerken, die von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) Geld erhalten, einen Brief schreiben lassen. Im Schreiben von Anfang Dezember heisst es, dass die Hilfswerke das Geld der Deza nicht für Kampagnen und auch nicht mehr für Informations- und Bildungsarbeit im Inland verwenden dürfen. Darunter fallen zum Beispiel auch Broschüren oder Veranstaltungen an Schulen.
Der Grund für diese Verschärfung sei, dass eine klare und saubere Abgrenzung zwischen Informations- und Bildungsarbeit einerseits und politischen Kampagnen andererseits in der Realität nicht immer möglich sei. Dies hätten die «Kontroversen in den vergangenen Wochen sowie konkrete Vorfälle» deutlich gemacht.
Neue Vertragsklausel
Eine entsprechende Klausel wird deshalb in die Verträge eingebaut, die derzeit für die nächste Periode der Entwicklungszusammenarbeit ausgearbeitet werden. Die Programmbeiträge an die NGOs werden jedoch nicht gekürzt. Das in Projekten für Bildungsarbeit im Inland vorgesehene Geld muss jedoch in den Entwicklungsländern statt in der Schweiz verwendet werden.
Kampagnentätigkeit war schon bisher nicht zulässig, betont Pierre-Alain Eltschinger, Sprecher des Aussendepartements (EDA). Besonders ins Visier geraten ist deshalb Solidar Suisse, ein der SP nahestehendes Hilfswerk. Es musste im Abstimmungskampf 24’000 Franken an den Bund zurückzahlen, weil damit ein Report finanziert worden war, der aktiv Werbung für die Konzernverantwortungsinitiative machte. Solidar Suisse wird vom Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga präsidiert. Die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello sitzt im Vorstand.
Umfassende Prüfung bei Solidar Suisse
Darauf reichte die Junge SVP eine Beschwerde ein, damit der Vorgang untersucht und möglicherweise Konsequenzen gezogen würden. Mindestens bis die Untersuchung abgeschlossen ist, hat die Deza Zahlungen an Solidar Suisse offenbar eingefroren. Der Vorfall zeige, dass die Kontrollmechanismen in der Deza funktionieren würden, betont EDA-Sprecher Eltschinger.
In den kommenden Wochen werde eine umfassende Prüfung der Verwendung der Gelder durch Solidar Suisse durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse werde die Deza entscheiden, ob die Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk fortgesetzt werden soll oder nicht. Vom Resultat der Prüfung hängt auch ab, ob die hängige Zahlung des Programmbeitrags ausgelöst werde.
«Entwicklungshilfeorganisationen beschäftigen sich immer mehr mit entwicklungspolitischen Forderungen im Inland statt mit Hilfe im Ausland.»
Auch im Parlament wächst der Druck auf die Hilfswerke. Die Baselbieter CVP-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter fordert vom Bundesrat einen Bericht darüber, wie genau die Gelder des Bundes verwendet werden. «Entwicklungshilfeorganisationen beschäftigen sich immer mehr mit entwicklungspolitischen Forderungen im Inland statt mit konkreter Entwicklungshilfe im Ausland», findet Schneider-Schneiter. Deshalb brauche es mehr Transparenz.
«Politische Gesinnungspropaganda»
Letzte Woche reichte sie Fragen zum allfälligen Missbrauch von Geldern bei Solidar Suisse ein. Insbesondere will sie wissen, was für Lehren aus dem Vorfall gezogen wurden und wie der Bund generell verhindert, dass mit seinem Geld Abstimmungskämpfe betrieben werden. Einen ähnlichen Vorstoss reichte der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ein. Er fordert, dass der Bund die Unterstützungen überprüft und «und bei Verletzung von allgemeinen Standards gemeinnütziger Tätigkeiten in Bezug auf politische Gesinnungspropaganda» einstellt. Sowohl Schneider-Schneiter wie Portmann stehen dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse nahe, welcher die Konzernverantwortungsinitiative bekämpft hat.
Die beiden wichtigsten politischen Lobbyorganisationen der Hilfswerke, Alliance Sud und Public Eye, erhalten direkt kein Geld vom Bund. Doch mindestens Alliance Sud bekommt Millionenbeträge von Mitgliedsorganisationen, die wiederum Bundesgelder erhalten. Welche Hilfswerke wie viel für dieses Lobbying ausgeben, ist jedoch in den Jahresberichten nicht genau ersichtlich. Alliance Sud betont, dass dabei keine Deza-Gelder zum Einsatz kämen.
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