Casa Zentner von Carlo ScarpaDer heilige Architekten-Gral liegt in Zürich
Der italienische Stararchitekt Carlo Scarpa hat in seinem Leben nur ein Haus ausserhalb Italiens gebaut. Heute ist dieses eine Legende der Midcentury-Modern-Architektur – und sorgt für Aufsehen in der Szene.
Es gibt eine Geschichte rund um Carlo Scarpa, die kaum jemand kennt. Der grosse italienische Architekt wurde lange Zeit seines 72-jährigen Lebens kaum als solcher wahrgenommen: als grosser italienischer Architekt. Scarpa hatte in Venedig ein Studium in Grafik und Kunstgeschichte absolviert, er hängte ein Diplom in architektonischer Darstellung an, aber er war nie studierter Architekt, was ihm immer wieder vorgehalten wurde. Erst im Jahr 1965 legitimierte ein Gerichtsurteil seine Bautätigkeit und den Architektentitel.
Dass er just zu dieser Zeit am einzigen Bau arbeitete, den er ausserhalb Italiens überhaupt je realisierte, ist ein interessanter Zufall. Der Architekt stellte zwischen 1965 und 1968 in Zürich das Casa Zentner fertig, eine Villa an der Aurorastrasse im Dolder-Viertel. Der Architekt, den damals viele nur als Zeichner geringschätzten, baute aus den Grundmauern eines alten Heimatstil-Gebäudes mit Baujahr 1914 ein Haus, das bis heute als prägend für seinen Stil gilt, seit Jahren immer wieder von Architekten besucht wird – «und vor allem eines der wenigen Häuser ist, die Scarpa auch wirklich fertig gebaut hat», wie der heutige Besitzer Edoardo Zentner weiss.
Zentner ist 65, halb Italiener, halb Schweizer und lebt noch immer im Haus, in dem er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder aufgewachsen ist. Zentners Mutter war Savina Zentner, ledige Rizzi, und ging 1951 in Udine vorab eine Ehe mit Angelo Masieri ein, dem zweiten berühmten Exponenten der Organischen Architektur in Italien.
Dadurch lernte Savina Rizzi auch Carlo Scarpa kennen. Masieri kam 1952 bei einem Autounfall ums Leben, Rizzi heiratete bald darauf den Schweizer Ingenieur René Zentner und zog nach Zürich. Dort konnte das Paar Scarpa für das heute so geschichtsträchtige Bauprojekt gewinnen.
Der Clou des Hauses ist etwas, was vielleicht auch seinen heutigen Geist begründet. Scarpa, zeit seines beruflichen Lebens nie als geradliniger Macher bekannt, verlor sich irgendwann in den Plänen und dabei die Lust – er wollte abspringen. René Zentner hielt dagegen, «er hat Wurzeln im Glarnerland und konnte sehr beharrlich sein», erzählt sein Sohn Edoardo. Zum Glück für die Zürcher Architektur.
Seit bald 60 Jahren steht im Villenviertel am Zürcher Sonnenberg ein Haus, das noch immer bis ins Detail in seiner Originalfassung erhalten ist. Vom Heimatstil der umliegenden Häuser hebt sich die Casa Zentner deutlich ab, wegen viel Beton, Metall und Glas, aber auch einer durchgehenden Konzeptionierung, die bis in die mit Kunst bestückten Innenräume reicht. Experten schwärmen, in der Community staunt man gerne und ausgelassen über die Casa Zentner, auf Instagram finden sich zahlreiche Bilder von Fans.
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Edoardo Zentner ist es sich gewohnt, Fremde durch die Räumlichkeiten zu führen – über die Jahre hinweg haben sich bei ihm einige Architekten, Historiker oder Journalisten gemeldet, die einen Blick auf den ausgeklügelten Bau erhaschen wollten. Am kommenden Wochenende wird das Haus im Rahmen der Architekturführungen von Open House zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Längst stehen Renovationen an, ein Thema, bei dem Zentner ein wenig ins Seufzen gerät. Mit den Architekten ist er sich einig, vielmehr geht es um juristische Details mit der Denkmalpflege des Kantons Zürich. «Das Haus wird bald unter Denkmalschutz gestellt werden», sagt Zentner. Innendrin gleicht es einer Kunstgalerie mit Wohnanteil, seine Eltern hätten exzessiv gesammelt, der Vater war ein Liebhaber spanischer Kunst, die Mutter hatte ein Faible für italienische.
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Edoardo Zentner ist 65 Jahre alt, hat keine Kinder, er kam allein in den Besitz des Hauses, seinem Bruder wurde ein anderes aus dem Familienbesitz vermacht. Mit der Casa Zentner hat er auch die Verpflichtung geerbt, das kulturelle Vermächtnis dereinst weiterzugeben. Arbeiten wie das Buch, das 2020 zum Haus erschien und die Geschichte detailliert dokumentiert, sind ihm sehr willkommen.
Der Zürcher Architekt Theo Senn wirkte beim Bau in den 60er-Jahren als rechte Hand von Carlo Scarpa, heute ist er 89 Jahre alt. Über die Zusammenarbeit hat er eine 50-seitige Arbeit geschrieben, die Zentner vielleicht irgendwann veröffentlichen will. «Wenn ich mal nicht mehr da bin, soll die Geschichte dieses Hauses allen zugänglich sein.»
Open House Zürich. Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr. Besichtigung von 130 Gebäuden mit individuellen Öffnungszeiten.
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